Die einseitige Staatsgründung wäre eine Katastrophe für die Palästinenser

Einseitig ist kein Staat zu machen

Die einseitige Ausrufung eines palästinensischen Staates wäre ein Desaster – vor ­allem für die Palästinenser.

Die Palästinenser haben auf dem Papier längst einen Staat, 1988 von Jassir Arafat in Algier ausgerufen. Die Autonomiebehörde in Israels besetzten Gebieten tut so, als sei sie ein Staat. Auf ihren Notizblöcken und dem Briefpapier steht neben dem Staatswappen: »State of Palestine«.
Doch unabhängig von solchen Formalitäten: Die »Versöhnung« zwischen der Fatah-Partei und der im Gaza-Streifen infolge eines Putsches herrschenden Hamas ist noch lange nicht vollzogen. Die Hamas ist nicht Mitglied der PLO-Dachorganisation. Die aber müsste als weltweit anerkannte Vertretung »aller« Palästinenser den Staat ausrufen. Es gibt keine Garantie, dass sich die Hamas dem ausgerufenen Staat unterordnet.

Für Staaten gelten andere Regeln als für besetzte Gebiete. Die Niederschlagung eines Aufstandes gegen Besatzer ist eine Polizei-Aktion und kein Krieg, auch wenn Israel bei der »Operation Gegossenes Blei« im Gaza-Krieg Panzer und Kampfflugzeuge eingesetzt hat. Sobald es »Palästina« gibt, könnte Israel nach den Uno-Statuten jeden Raketenangriff aus Gaza oder jeden Terrorangriff als Kriegserklärung werten. Weil Israel das palästinensische Staatsgebiet innerhalb von Stunden wieder erobern würde, wäre der Staatstraum schnell ausgeträumt. Ob und wann die Palästinenser danach die Chance für einen dritten Anlauf bekämen, steht in den Sternen.
Die Palästinenser müssten vor einer einseitigen Staatsausrufung noch andere Dinge bedenken. Israel könnte ganz legitim, wie jeder andere Staat der Welt, eine Visumspflicht für Palästinenser einführen. Es könnte Zölle für palästinensische Waren erheben, keine Waren mehr über israelische Häfen ins Westjordanland durchlassen und die in den Osloer Verträgen geregelten Lieferungen von Wasser, Strom und Benzin einstellen.
Ein palästinensischer Staat würde Zehntausende Arbeitslose bedeuten. Allein die Mitarbeiter der rund 5 000 Nicht-Regierungs-Organisationen beziehen heute dank Millionenzuwendungen aus aller Welt überhöhte Gehälter, weil sie sich um den »Frieden« bemühen, der mit Ausrufung des Staates vermeintlich ausbrechen würde. Niemand käme auf die Idee, einen derartigen einseitigen Schritt als Kriegsakt zu betrachten.
Heute genießen die Palästinenser das Wohlwollen vieler Staaten, weil sie im Gegensatz zu Kurden, Basken, Tibetern und Saharawis unter einer Besatzung leiden. Deswegen pumpt die Welt direkt oder über die Uno Milliarden in die palästinensischen Gebiete, baut Fußballstadien, Gemeindezentren, Moscheen, eine große Kläranlage im Norden des Gaza-Streifens, Polizeistationen und liefert sogar Papier für die Faxgeräte der Polizei, fabrikneue Streifenwagen und Kneifzangen.

Ein Staat Palästina aber hätte den Status anderer Entwicklungsländer wie Botswana, Simbabwe oder Äthiopien. Anstelle von 300 Dollar Entwicklungshilfe pro Kopf der Bevölkerung im Jahr könnten die Palästinenser dann nur noch mit acht oder 18 Dollar rechnen, und die Polizei müsste sich das Faxpapier im Laden kaufen.
Schlimmer noch. Alle Welt hält die Palästinenser für unmündig: Weil sie unterdrückt und besetzt sind, macht man sie für nichts verantwortlich, nicht für Terror, Raketenangriffe, ihre eigene Misswirtschaft und Korruption, ihre missglückten Aufstände, und auch nicht für politische Fehler. Heute beliefern Islamisten die Palästinenser mit Waffen und Sprengstoff, damit sie die Zionisten und Juden bekämpfen und terrorisieren. Die Palästinenser müssen dafür nur den Kopf hinhalten. Und die Jihadisten stört das nicht weiter, weil ihrer Auffassung nach die Palästinenser ohnehin den Tod so lieben wie die Juden das Leben.
Bisher schoben die meisten Palästinenser alle Schuld für die eigene Misere auf Israel. Sobald sie in ihrem eigenen Staat leben, könnten sie sich nur noch selber im Spiegel anschauen. Zudem müsste die Welt ihnen dann nicht mehr helfen als jedem anderen Staat in Afrika oder Asien.
Kein arabischer Staat, weder Syrien, Libanon noch Saudi-Arabien oder der Iran würde einen direkten Angriff auf Israel wagen, denn dann gäbe es Krieg. Bisher konnte den Palästinensern nicht viel passieren, weil sie ja unter Besatzung standen. Mit einem eigenen Staat ginge das nicht mehr. Dann gelten andere Spielregeln. Sie müssten volle Verantwortung für ihr Tun übernehmen, wären sozusagen volljährig, strafmündig und haftbar.
Israels früherer Außenminister Abba Eban sagte einmal: Die Palästinenser hätten keine Chance verpasst, eine Chance zu verpassen. Die einseitige Ausrufung eines Staates 2011 ohne Einvernehmen mit Israel, ohne Verträge und Absprachen wäre die allerletzte verpasste Chance, zu Frieden und zueinem Staat zu gelangen.