Mahlstrom der Gefühle

»Wenn man sich in einem Keller einschließt und völlig isoliert an einem Album arbeitet, kann man schon mal ein wenig den Verstand verlieren«, erzählt Anna Calvi. Drei Jahre schlug sie sich mit ihrem Debüt herum; sie nennt es »ihr Monster«.
Mit diesem Monster geht es auf verschlungenen Wegen durch endlose australische Wüstenlandschaften, wie sie in den psychotisch-romantischen Gitarrenballaden Nick Caves eine bildhafte Rolle spielen. Außerdem dabei: die Hauptvertreter des musikalischen Impressionismus: Ravel und Debussy; David Lynch und seine Filme, eine Handvoll begnadeter Flamenco-Tänzer, ein Haufen furchtloser Surfer bei starkem Swell vor der Küste Hawaiis und nicht zuletzt Calvi selbst in Gestalt einer operngeschulten Siouxsie Sioux. Dass die 28jährige Engländerin Maria Callas, Nina Simone und Scott Walker liebt, versteht sich fast von selbst.
Expressiv trifft es nicht ganz, denn dieses Album ist mehr: ein Mahlstrom mächtiger Gefühle, impulsiver musikalischer Ausdruck des Außer-sich-Geratens angesichts intimer Verwerfungen. Die Saitenparts hat sie allein eingespielt, was überhaupt nichts macht, denn mit der Gitarre betreibt sie höchst virtuose, immer phantasievolle Klangmalerei. Selbstredend hat sie beides drauf: das zärtlich zurückgenommene, auf der Lauer liegende Hauchen und den kraftvoll gen Himmel fahrenden Gesang. Calvi erzählt Geschichten von Lust und Liebe, na klar. Und schweigt nicht von der Lücke, die der Teufel lässt, um es sich darin gemütlich zu machen.

Anna Calvi: Anna Calvi ­(Domino/Good to Go)