Die Debatte um das neue Buch von Bascha Mika

Woman ist the nigger of the world – und stolz drauf

War ja klar: Frauen sind selbst schuld daran, dass sie immer wieder an das stoßen, was man die »gläserne Decke« nennt. Behauptet zumindest Bascha Mika in ihrem neuen Buch.

Eine Frauenquote einführen? Quatsch! »Die Frauen schaffen das ohne Quote – weil sie gut sind«, befand der zuständige Minister Rainer Brüderle in der Welt. Da ist selbst Josef Ackermann schon weiter, auch wenn er nur deshalb für die Quote in der Wirtschaft eintritt, weil er sich die Unternehmenswelt »bunter« und »schöner« wünscht. Und obwohl einige Argumente auch die FDP überzeugen dürften – schließlich zahlt es sich angeblich materiell für Unternehmen aus, wenn Frauen im Vorstand sitzen –, tut man sich schwer damit in diesem Land, wo die Diskussion zwischen den Ministerinnen Ursula von der Leyen und Kristina Schröder als »Zickenkrieg« abgetan wird. Erziehungsgeld für Eltern, die ihr Kind zu Hause behalten, Ehegattensplitting und Tagesmütter als revolutionäres Betreuungskonzept – in Deutschland scheint es einfacher, das Mutterkreuz wieder einzuführen, als die Frauenquote durchzusetzen.
Seit 40 Jahren dürfen Frauen ohne die Zustimmung ihres Mannes einem Beruf nachgehen, den Nachwuchs planen können sie seit der Einführung der Pille selbstbestimmt, und auch den Erziehungsurlaub brauchen sie nicht mehr allein zu nehmen. Kinder sind also kein Hindernis mehr für den Aufstieg – oder doch? Ganze 2,16 Prozent Frauen saßen 2010 in den Vorständen der 30 Dax-Unternehmen. Auch wer die Leitung eines börsennotierten Unternehmens nicht für das höchste aller Ziele hält, könnte einige Argumente finden für die Quote.
Bascha Mika, ehemalige Chefredakteurin der Taz, sieht neben der unbestreitbaren gläsernen Decke einen weiteren Grund für das schlechte Abschneiden der Frauen in deren eigener Einstellung. Ihr Buch »Die Feigheit der Frauen« ist eine wütende Abrechnung mit denjenigen, die freiwillig auf die große Karriere verzichten. Dass qualifizierte Frauen zu Hause bleiben und die Kinder hüten, sich mit Halbtagsstellen begnügen und ihren Männern den Rücken freihalten, treibt Mika zur Weißglut. Warum machen zwei Drittel aller Frauen den Haushalt alleine, wie es schon ihre Großmütter getan haben, warum ziehen sie ihrem Ehemann nach, wenn der den Job wechselt, und niemals umgekehrt? Warum, verdammt, tun sie das alles mit der Beteuerung, sie wollten nichts anderes, nur das mache sie glücklich, und mehr als ein Teilzeitjob sei ihnen sowieso viel zu stressig?
Bascha Mika hat die Schnauze voll von Frauen, die früher einmal alles wollten, Beruf und Familie, und sich später plötzlich mit der Familie und einem Ernährer zufrieden geben. Raus aus der Komfortzone, fordert sie, raus aus den gut geheizten Wohnzimmern und rein in die Arbeitswelt. »Komfortzone«, den Begriff hat Mika beim Fernsehschwafler Peter Sloterdijk entliehen. Der beschrieb mit der »Komfortzone des Weltinnenraums« den begrenzten Raum, in dem die Gewinner und Gewinnerinnen der Globalisierung sich behaglich eingerichtet hätten, während der Rest der Welt sich mühsam über Wasser halte. Bascha Mikas Komfortzone ähnelt eher einem Mutter-Kind-Café. Gemütlich ist es hier, beim Caffè Latte diskutieren Akademikerinnen über Zahnprobleme und Bauchschmerzen und erledigen hin und wieder einen kleinen Auftrag nebenher. Sie wollen ja nicht ganz aussteigen aus dem Berufsleben. Sloterdijk beklagt gern mal die Benachteiligung von »Leistungsträgern«, und Mika fordert nun von den Frauen, zu dem zu werden, was sie zumindest ihrer Ausbildung nach sein könnten: Leistungsträgerinnen.
Neu ist das alles nicht. Schon 2002 schrieb die Journalistin Barbara Bierach vom »Dämlichen Geschlecht«, das sich selbst im Weg stehe beim Aufstieg an die Spitze. Ihr ging es dabei allein um Managerinnen, und auch Bascha Mika lässt wenig Raum für alternative Lebenskonzepte. »Vermauste« Hausfrau und Mutter versus voll professionelle Dienstleisterin, dazwischen gibt es nichts.
Nicht nur Mütter wehren sich gegen Mikas Haudrauf-Argumentation. Vermeintliche Bequemlichkeit zum Problem zu machen statt gegen diskriminierende Strukturen zu kämpfen, findet auch die Soziologin Jutta Allmendinger falsch, aus deren Studie »Frauen auf dem Sprung« Mika wiederholt zitiert. Eiskalter Wind weht Mika allerdings insbesondere von selbstbewussten Müttern entgegen, die sich verwahren gegen den Vorwurf der Faulheit. Hart sei es, Kinder großzuziehen, und außerdem ein Beitrag zu einer humaneren, weniger leistungsorientierten Welt. So schreibt »Elli« in einem Mütterblog, sie sei »eine von den Dummen, die ihre Kinder psychisch so weit fit macht, dass sie in der ach so hochgelobten Leistungsgesellschaft nicht ganz den Bach runter gehen, die ihren Kindern vermittelt, dass es noch Werte jenseits von Beruf und Karriere gibt … Ich bin eine von den Dummen, die ihrem Mann Rückhalt und Unterstützung gibt für seinen stressigen Beruf, damit auch mein Mann, den ich sehr liebe, erfährt, dass es noch andere Dinge gibt als immer und überall zu 100 Prozent funktionieren zu müssen.« Und dann kommt der Satz, um den sich alles dreht in Mikas Buch: »Und ich mach’ das alles sehr gerne.«
Wenn Frauen sich tatsächlich »gerne« auf die Familienarbeit beschränken, ist das ihre Sache, findet Mika. Gegen ein Gegenmodell zur ökonomischen Verwertung sämtlicher Arbeitskraft hat sie nichts einzuwenden. Nur: Mit dem Rückzug ist es nicht getan. Er ist keine Kampfansage, keine Gegenstrategie gegen neoliberale Lebensentwürfe, er ist einfach ein feiges Verhalten, bei dem man sich in die Geborgenheit des gemachten Nestes fallen lässt. Und vor allem glaubt sie, dass viele Frauen eigentlich einmal mehr wollten vom Leben.
Genau diese Kritik stößt vielen Rezensenten und Rezensentinnen übel auf an Mikas Buch. Susanne Mayer etwa findet in der Zeit, Familie als das Andere, dem »durchgetakteten Leben in der globalisierten Welt« Widerstehende, sei ein Frauen gemäßes Modell. Denn »bei Kindern findet sich für viele Frauen eher Erfüllung als im Beruf, und das ist nicht das Ergebnis von Brainwashing. Auf den Mann zu setzen, ist in den gegebenen miesen Verhältnissen auch ­rational. Der hat im Zweifelsfall das höhere Gehalt und aussichtsreichere Karrierechancen.«
Dass sie solchen biologistischen Modellen etwas entgegensetzt, spricht für Bascha Mika. Dass sie einen Uraltkonflikt wieder aufwärmt, den Streit zwischen Müttern und Berufstätigen, ist unnötig. Wie viele Frauen gibt es überhaupt, die vor der Entscheidung stehen, in der »Komfortzone« herumzusitzen oder sich um Firmenparkplätze und Vertragsabschlüsse zu streiten? Bekommen nicht viel mehr Akademikerinnen gar keine Kinder mehr, weil diese immer noch so schwierig zu vereinbaren sind mit dem Wunsch nach beruflichem Erfolg? Und sind solche Elitendiskussionen tatsächlich dazu angetan, gesellschaftliche Strukturen zu verändern? Eine Antwort hat Mika jedenfalls nicht für Frauen, die eben doch beides wollen, Kinder und ein Berufsleben. Die wenigen Antworten, die sie gibt, sind genauso uralt wie die ganze Debatte. Männer mehr einbeziehen, ja. Mehr einfordern vom Leben, nicht mehr zurückstecken und kämpfen. Die wenigen von ihr genannten Positivbeispiele erscheinen allerdings als genau die Sorte Superfrau, die Angst macht statt Mut. Oder wer wünscht sich schon ein Leben wie das von Hilde, die neben ihrer Vollzeitstelle als Bankerin fünf Kinder großzog und täglich bis Mitternacht die Wäsche wusch? Damit ist Mika doch wieder in der kapitalistischen Verwertungslogik angelangt – gesellschaftlich anerkannte Lohnarbeit als einzig erstrebenswerter Lebensinhalt.
Wer allerdings ihre Kritiker liest, neigt fast wieder dazu, Mika vorbehaltlos zuzustimmen. Denn wenn Mütter arbeiten, findet die Zeit-Rezensentin, bleibt für die Kinderbetreuung nur noch die »Billiglöhnerin, die Illegale aus Osteuropa, der man schon Opa anvertraut hat. Hoffentlich kann sie Mathe.« Da ist sie wieder, die Rollenfalle.

Bascha Mika: Die Feigheit der Frauen. Rollenfallen und Geiselmentalität. Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug. C. Bertelsmann Verlag, München 2011, 256 Seiten, 14,99 Euro