Verschlafener Umsturz

Rein formal können Spät-zu-Bett-Geher sehr zufrieden mit den bisherigen Umstürzen im arabischen Raum sein. Verlässlich passiert ­alles Entscheidende nachts, so dass man live Jubelfeiern, Sniper-Attacken, Analysen und Kon­ferenzschaltungen mitbekommen kann. Jedenfalls dann, wenn man BBC, CNN oder al-Jazeera gucken kann.
Auch als am frühen Montagmorgen Tripolis eingenommen wurde, konnte man live zusehen. Und dazu mitbekommen, wie es den im Hotel Rixos eingeschlossenen Journalisten erging, die sich in einen sicheren Raum zurückgezogen hatten, weil bewaffnete regimetreue Soldaten sie am Verlassen des Gebäudes hinderten. Matthew Chance von CNN, Matthew Price von der BBC und andere berichteten über ihre Zwangslage. Die via Twitter unter dem Hashtag #Rixos massenhaft verbreiteten Einzelheiten machten die Welt – und die Rebellen – auf die bedrohten, wehrlosen Journalisten aufmerksam. Die hatten Glück, dass, genau, es folgt jetzt wieder ein Lamento über das deutsche Fernsehen, es andere Sender als ARD, ZDF, N-TV und wie sie alle heißen gibt.
Im deutschen Fernsehen wurde die Einnahme der libyschen Hauptstadt eher zögerlich zur Kenntnis genommen, oder man beschränkte sich darauf, das weiterzugeben, was schon vor Stunden von den großen internationalen Sendern vermeldet worden war. Aber dafür wird das Thema Diktatorensturz dann bestimmt in den abendlichen Talkshows aufgearbeitet, wo Schauspieler, Schlagersänger, Musiker und andere Promis, die schon mal von diesem Libyen gehört haben, ihre Meinung zu Gaddafi, bewaffneten Umstürzen und dem generellen Zustand der Welt zum Besten geben dürfen. Aber bloß bis Mitternacht, und dann wird schlafen gegangen, egal, was passiert.