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Sie als kritische Intellektuelle mag es vielleicht verwundern, aber bei Blattkritiken und in Leserbriefen werden wir hin und wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, unsere Zeitung sei zu »textlastig«. Dass wir Ihnen auf unseren Themenseiten manchmal einen doppelseitigen Essay zumuten und es uns nach wie vor herausnehmen, am Ende eines jeden Dschungels ein fünf Seiten langes Dossier ohne Bildstrecke unterzubringen, gilt manchen, die uns ansonsten schätzen, als Zeichen von Elitarismus. Dabei besteht die eigentliche Zumutung, die wir uns wöchentlich leisten, gerade darin, auf vielen Seiten fast die Hälfte leer zu lassen. Einigen von Ihnen ist diese Tendenz zum weißen Blatt, die dem Augen Ruhe und Abwechslung zugleich verschafft und die Ästhetik unserer Zeitung wesentlich bestimmt, wahrscheinlich schon aufgefallen. Aber mit den Bildern geben wir uns ebenfalls große Mühe. Sie sollen keine rein illustrative Funktion haben, aber auch nicht allzu satirisch ausfallen, sondern dem Gegenstand, dem sie gelten, nach Möglichkeit eine neue Dimension abgewinnen. Deshalb gibt es bei uns wöchentliche Titelbildkonferenzen, bei denen das jeweils anwesende Teilkollektiv basisdemokratisch über das passendste Bild abstimmt, das freilich nicht immer das beste sein muss. Und gewiss haben Sie schon bemerkt, das die Bildgestaltung im Dschungel besonders ausgefeilt ist und einem eigentümlichen Stil folgt, der sich über Jahre hinweg herausgebildet hat. Mit Karikaturen dagegen halten wir uns in der Regel zurück, an ihrer Stelle gibt es die Comics auf der letzten Dschungelseite. Die einzige wöchentliche Karikatur auf der Seite zwei reicht auch völlig aus, denn sie bietet regelmäßig Anlass für Streitgespräche über Fragen politischer Korrektheit. Wenn unser Blatt diesmal karikaturzentrierter ist als üblich, hat das einen konkreten Grund. Thema dieser Ausgabe ist nämlich der Brandanschlag, der in der vergangenen Woche die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo getroffen und dessen Einrichtung und technischer Ausstattung zerstört hat, nachdem dort eine Mohammed-Satire veröffentlicht worden war. Nicht nur aus Solidarität mit den französischen Kollegen, sondern auch aus Verpflichtung gegenüber unserer eigenen Sache sind daher in dieser Ausgabe mehr bärtige alte Männer zu sehen als sonst. Dazu gibt es ein Interview mit der Redaktion von Charlie Hebdo sowie Hintergrundtexte über das zwiespältige Verhältnis zwischen Humor, Kunst und Religion auf den Thema-Seiten und im Dschungel. Für deren Lektüre werden Sie sich allerdings so viel Zeit nehmen müssen wie üblich. Denn so bereichernd Bilder für einen Text sein mögen, ohne lange und hoffentlich interessante Texte kommt keine gute Zeitung aus.