Hier swingt das Baby in der Wiege

Berlin Beatet Bestes. Folge 128. Georg Kreisler: Nichtarische Arien (1966).

Zufällig fand ich neulich in einem Trödelladen die großartige LP »Nichtarische Arien«, die der kürzlich verstorbene Georg Kreisler für das österreichische Indie-Label Preiser Records aufgenommen hat. Einige Platten, die Kreisler zusammen mit seiner Frau, der Sängerin und Schauspielerin Topsy Küppers, eingespielt hat, besitze ich bereits. Dieses Album, aufgenommen im Mai 1966 und 2006 auf CD wiederveröffentlicht, hatte ich noch nie gehört.
Den Covertext der Erstveröffentlichung verfasste Hans Hansen: »Das jüdische Chanson war lange Zeit tot«, schreibt er. »Zeitbedingt durch befohlenen Hass und aufgezwungene Diskriminierung. Der von staatswegen gepflegte Antisemitismus setzte die Couplets eines Fritz Grünbaum, Fritz Wiesenthal, Armin Berg, Franz Engel, Karl Farkas und vieler anderer Vertreter dieses Genres auf den Index. Nichtarisches Gedankengut im Kampf mit den täglichen kleinen Lebensproblemen in musikalisch-pointierter Form zu servieren, war lange Zeit verpönt. Später befürchteten besonders sensible Juden und Christen, sie könnten durch öffentliches ›Jüdeln‹ Anstoß erregen, dem Antisemitismus gewissermaßen Vorschub leisten. Dabei entging ihnen allerdings ein wichtiger Moment, dass nämlich gerade die Kenntnis gegenseitiger Eigenarten Vorurteile am ehesten beseitigt und zum Verständnis für den anderen beiträgt.«
Auf Anhieb mochte ich das Lied »Mein Mädele«, in dem es heißt: »Mein kleines Mädele, mein kleines Mädele/ Du musst nicht weinen weil die Puppe eine Hand hat anstatt zwei/ Mein kleines Mädele, mein kleines Mädele/ Ich kauf dir morgen eine Puppe, die wird haben Hände drei.« Am besten gefällt mir aber das swingende Lied »Für was bist du gekommen«, ein bitterer Willkommensgruß an ein Neugeborenes.

Oij weij, kleines Wickelkind wos da liegt vor mir in der Wiege,
Ich hab Dich a sehr a wichtige Frage zu fragen, her mich aus: Für wos bist Du gekommen, und machst der Mutter Müh’
Wie stellst Du Dir Dein weit’res Leben vor?
Die Welt wird Dir nicht frommen, Du bist doch ka Genie,
Genies gibt hechstens alle hundert Johr.
Du wirst doch werden a schlechter Mensch, genau wie Dein Papa,
Wirst sein verfressen und nur auf’s Geld bedacht,
So wie Deine Frau Mama.
Also für wos bist Du gekommen, für wos brauchst Du die Welt,
Und wer, Du Untam, hat Dich herbestellt?
Wos wirst Du erreichen? Du wirst sein a Falott,
Wirst Dich zehn Mal vergleichen, und wirst machen bankrott.
Du wirst alle bestehlen, weil Dich jeder betriegt,
Und die Leit wer’n krakeelen, weil die Leit sin verrickt.

Klar ist, dass die Musik von Georg Kreisler auch nach seinem Tod wichtig bleibt.