Die Jungsschule

Die Hamburger Schule war eine Szene von meist aus Ostwestfalen zugezogenen Hamburgern, die versuchten, die deutsche Sprache als Popsprache zu retten und dabei als Linke aufzutreten. Man nannte das auch Diskurspop, die führenden Bands waren Kolossale Jugend, Die Sterne, Blumfeld und Tocotronic. Ein Reader versucht nun, diese Hochzeit der Hamburger Schule in den Neunzigern aufzuarbeiten. In vager Anlehnung an Blumfelds »Lass uns nicht von Sex reden« fordert er: »Lass uns von der Hamburger Schule reden«. Der besondere Dreh soll sein, dass in dem Gesprächsband ausschließlich Frauen zu Wort kommen, Frauen, die maßgeblich beteiligt waren an dieser Hamburger Szene, aber nicht den Bekanntheitsgrad von Jochen Distelmeyer erreichten. Als »eine Kulturgeschichte aus der Sicht beteiligter Frauen« versteht sich der Band.
Die Frage »Wie ist es den Frauen ergangen?« könnte man auf jede subkulturelle Szene anwenden. Auf Chicago-House, auf Detroit-Techno, auf Seattle-Grunge. Im Falle der Hamburger Schule verspricht die Frage jedoch vermeintlich unangenehme Antworten, verstand sich die Szene doch als emanzipatorisch. Und tatsächlich zeichnen die Gesprächspartnerinnen wie Charlotte Goltermann vom damals einflussreichen Label Ladomat 2000 bis hin zu Bernadette La Hengst von der Band Die Braut haut ins Auge das Bild einer trüben Jungsclique, die das Sagen hatte. Allerdings überrascht der Befund nur diejenigen, die ernsthaft glauben, linke Subkulturen wären für Frauen durchlässiger als andere.

Jochen Bonz, Juliane Rytz, Johannes Springer: Lass uns von der Hamburger Schule reden. Ventil-Verlag, Mainz 2011, 176 Seiten, 12,90 Euro