Melancholie im Mai

Der Mai wird hierzulande häufig als Wonnemonat bezeichnet. Das dürfte nicht nur am Frühling, an Erdbeeren und Spargel liegen, sondern auch an den Feiertagen, mit denen dieser Monat reich gesegnet ist. Fallen die Feiertage günstig, also nicht auf das Wochenende, freut das die Arbeitnehmer hierzulande sehr. Sie nehmen Brückentage für ein verlängertes Wochenende am Meer, den Städtetrip nach Paris oder den Kurzurlaub auf dem Balkon. Bei Freiberuflern fällt die Freude hingegen nicht ganz so groß aus, denn an Feiertagen verdient man kein Geld und ergattert keine Aufträge. Und jeder Verdienstausfall schürt die Panik, vor allem im Mai. Es ist nicht fair, dass ausgerechnet am Ende dieses Monats die Steuererklärung fällig ist, aber es passt zu einem Land, in dem man mit Wonne ohnehin nicht viel anfangen kann. Selbstverständlich weiß man als Freiberufler, dass man Geld für das Finanzamt zurücklegen muss. Aber wenn die Aufträge ausbleiben, bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als auf die Reserven zurückzugreifen. Die laufenden Kosten laufen weiter, egal wie beschissen die Auftragslage ist. Meistens beginnt es schon im Januar, die Kulturinstitutionen und die Unternehmen planen ihre Projekte, Aufträge werden frühestens im Februar erteilt. Die kommenden Monate arbeitet man nicht nur für den Lebensunterhalt, sondern auch, um die fälligen Steuern zahlen zu können. Und der gute Vorsatz, künftig frühzeitig Geld zurückzulegen, scheitert schon kurz nach dem Eintreffen des Steuerbescheids. Dann beginnt im Kulturbetrieb die Sommerpause und die Aufträge bleiben aus.