Im Säurebad der Haselnuss

Berlin Beatet Bestes. Folge 179. Heino: Mit freundlichen Grüßen (2013).

Heino ist aus der Versenkung gekommen wie ein Zombie – ein Volksmusikzombie. Er ist noch nicht weg, will er uns sagen, mit ihm ist noch zu rechnen. Da ist noch Gift. Heino hat noch eine Rechnung offen mit denen, die ihn jahrzehntelang gedemütigt haben. Dabei habe ich sogar ein kleines bisschen ­Verständnis für Hei­nos Hass auf das Feuilleton. Verkopft, steif, snobistisch, unlocker, unlustig, uncool – mir würden noch eine Menge anderer Adjektive einfallen, um den besonderen Hang der Deutschen zur Hochkultur zu beschreiben. Wir sind leider immer noch weit davon entfernt, mit Leichtigkeit populär und unterhaltsam zu sein. Deutsche Popkultur muss immer irgendwie klug und tiefsinnig und echt sein und ist so das Gegenteil von Popkultur.
Trotzdem kann ich Heino nicht leiden. Als meine Helden Jello Biafra und der Comic-Zeichner Daniel Clowes sich als große Heino-Fans erwiesen und ihm im Standardwerk der seltsamen Musik, »Incredibly Strange Music«, sogar ein Kapitel gewidmet wurde, schüttelte ich nur den Kopf. Die Amerikaner erkannten in Heinos seltsamem Aufzug und seiner Humpta-Musik offensichtlich etwas, was ich nicht sehen konnte. Sie genossen es, sich von seiner typisch deutschen Exzentrik und seiner Schäferhund­ästhetik gruseln zu lassen. Das funktionierte nur, weil sie so weit von Heino entfernt waren. Ich war offensichtlich viel zu nah dran an Heino.
Wir hatten dafür den »wahren Heino«, einen punkigen Heino-Imitator, der in den achtziger Jahren immer mit den Toten Hosen zusammen auftrat. Damals hatten die Toten Hosen und die Punks noch einen Hass auf Heino. Heino fand das nicht lustig und verklagte den »wahren Heino«. Heute scheinen die Toten Hosen, die Ärzte und ihre Fans versöhnt mit der Welt zu sein. Nur Heino scheint noch Hass zu verspüren. Er hat die Demütigungen wohl nicht vergessen und konnte deshalb nicht die Größe haben, die auf dem neuen ­Album gecoverten Songs in einer Weise vorzutragen, die zu Herzen geht, die Menschen berührt hätte. Er musste die Songs durch die alte Heino-Maschine jagen, anstatt sich wenigstens ein bisschen von Johnny Cash inspirieren zu lassen. Wie schön hätten Heinos Versionen klingen können, hätte er sie mit Leidenschaft vorgetragen. Stattdessen hat er sie in Säure gebadet. Nach dem Motto: »Hier seht, es ist doch nur Volksmusik!« Damit hat er natürlich Recht, und es zeigt den Fehler der Popsongs der Ärzte, Toten Hosen, Fantastischen Vier und Rammstein auf. Ihre Hits sind Schlager – auf Deutsch gesungene Popsongs sind immer Schlager, also im wortwörtlichen Sinne Volksmusik. Wir Popmusikfans sind schließlich genauso »das Volk« wie die Rentner, die Volksmusik hören. Das Wort ist mir wirklich egal, aber die Songs die Heino sich vorgenommen hat, haben es vielleicht auch nicht besser verdient. In ihnen schwingt eine Anbiederung und Gefälligkeit mit, die Heino glasklar wiedererkannt hat. Diesen Willen zum Erfolg kennt er von sich selbst.
Heinos Karriere begann allerdings als krasser nationalistischer Gegenentwurf zur englischsprachigen Beatmusik der sechziger Jahre. Damals waren die Beatfans unversöhnlich gegenüber Heino und der Generation ihrer Eltern, und ihre Musik sollte das vermitteln. Heutige Popfans täten gut daran, sich daran zu erinnern.