Berlin Beatet Bestes. Folge 225.

Auch als Deko ganz schön

Berlin Beatet Bestes. Folge 225. Storyville. Papa Bue’s Viking Jazzband: Schlafe Mein Prinzchen/Wiegenlied (1960).

Plastik ist nicht gleich Plastik. Ein großer Teil der in Millionenauflagen veröffentlichten Schallplatten des 20. Jahrhunderts mag auf den Müll gehören, in der ästhetischen Hierarchie des Kunststoffs sind Schallplatten immer noch hochwertiger als CDs. So wurden bisher nur für das CD-Material Polycarbonat Wertstoffsammelstellen eingerichtet. Dennoch gibt es Menschen, die sich zuhause CDs als Dekorationsobjekt an die Wand hängen oder sich aus den Silberscheiben eine Lampe oder Obstschale basteln. Ich vermute, dass diese Leute keine ausgesprochenen CD-Fans sind, sondern aus ihrer Nähe zum Material eine Tugend gemacht haben. Andere hängen sich Plastiktüten an die Wand. CDs sind nun mal eher mit Verpackungsmaterial vergleichbar. Schallplattenliebhaber hingegen dekorieren ihre Räume mit Vinyl, um ihre Liebe zur Platte auszudrücken. Deshalb hängen auch in jedem richtigen Plattenladen farbige Schallplatten und Picture-Discs an den Wänden. Natürlich nicht im Media-Markt, der mittlerweile auch Vinyl anbietet, aber dort kaufen richtige Musikfans sowieso nicht ein.
Die erste Platte, die ich als Teenager aus rein dekorativen Gründen an die Wand meines Jugendzimmers hängte, war eine rote Storyville-Single, die ich auf einem Flohmarkt gefunden hatte. Die Dixieland-Musik darauf fand ich zwar langweilig, aber das Label-Design und das farbige Vinyl gefielen mir. Wenig später erwarb ich noch eine gelbe und danach eine grüne Storyville-Single und hängte sie neben die rote. Eine lange Zeit blieb dieses Ensemble nun in meinem Zimmer bestehen und wanderte, als ich in meine erste Wohnung und später in eine WG zog, dort auch wieder sofort an die Wand. Über die Jahre fielen mir weitere farbige Storyville-Platten in die Hände, nach und nach entstand eine kleine Sammlung. Heute hängen 45 dieser farbigen Scheiben an einer Wand meines Plattenzimmers. Wirklich angehört hatte ich sie allerdings nie. Bis ich vor drei Jahren im Zuge meiner Swingtanzbegeisterung meine Sammlung nach Jazz und Jazz-verwandter Musik durchkämmte. Nach 30 Jahren klang der Traditional Jazz von Papa Bue’s Viking Jazzband aus Dänemark plötzlich gar nicht mehr so langweilig. Seitdem habe ich begonnen, die Storyville-Platten aus den fünfziger Jahren auch um der Musik willen zu sammeln. Das ist nicht schwer, denn die farbigen Singles des Labels erschienen in den 45 Jahren seines Bestehens in riesigen Auflagen und sind bis heute in Second-Hand-Plattenläden erhältlich. Nur selten kosten sie mehr als einen Euro. Das Kopenhagener Storyville-Label, benannt nach dem berühmten Rotlichtviertel von New Orleans, in dem die Jazzmusik sich entwickelte, wurde 1952 von dem Schallplattensammler Karl Emil Knudson gegründet und ist heute das älteste unabhängige Jazzlabel der Welt. Als Knudson 2003 starb, wurde die Firma von einem großen Musikverlag übernommen. Farbiges Vinyl, mit dem das Label so berühmt wurde, hat es leider nie wieder veröffentlicht.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com/) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.