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Im Zeitungsgeschäft muss ja immer schnell reagiert werden. Während der Rauch des Bombenanschlags noch über den Trümmern schwebt, werden die ersten Buchstaben getippt. Wer zu lange schläft, geht ein. Zumindest ist das bei einer Tageszeitung so. Die Wochenzeitungsredaktion denkt lieber erst noch etwas nach, vor allem darüber, wie die Prioritäten gesetzt werden. Da kann es dann manchmal sein, dass ein Thema überraschend spät doch noch Thema ist. Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit. Oder die Prioritäten liegen anders. Das mag der Grund dafür sein, dass alles, was nicht unbedingt überlebenswichtig für die Zeitungsproduktion ist, in den Hintergrund rückt. Licht zum Beispiel. Als die Neonröhre in einem Redaktionszimmer zu flackern begann, blieb das Licht zunächst einfach aus. Einzig das Leuchten der Bildschirme erhellte die dunkle Winterzeit. Nach ein paar Tagen Düsternis wurde unter Lebensgefahr (Leiter besteigen! Strom!) doch noch die defekte Leuchtstoffröhre ausgebaut – wahrscheinlich war gerade nichts los in der Welt, die Frage der Prioritätensetzung leichter zu beantworten. Eine anschließende redaktionsinterne Recherche ergab, dass auch an anderen Stellen Neonröhren fehlen, insgesamt ein gutes Dutzend. In völliger Finsternis fristen gar einige Redakteurinnen und Redakteure in einem Bürozimmer ihr Dasein. Ist das nun einfach Schicksalsergebenheit oder knallharte Prioritätensetzung? Weit gefehlt, es steckt eine Strategie dahinter: Seit Monaten lagern neue Lampen im Rumpelregal, die nur darauf warten, dass mal wieder nichts in der Welt los ist und sich jemand erbarmt, sie anzubringen. Die Entneonröhrisierung soll einfach temporal gelöst werden, irgendwann geben sie alle ihren Geist auf. Dann soll die Zeit der neuen Lampen begingen, doch dazwischen herrscht vor allem Düsternis. Wer wird mit der neuen Erleuchtung beginnen? Es bleibt abzuwarten, wie es so schön journalistisch heißt. Erloschen ist diese Woche nicht nur eine olle Neonröhre, sondern auch das Leben Ariel Sharons. Doch das war hier erstaunlich selten ein Thema, lediglich auf unserem Blog gab es einen Beitrag dazu. Anders als manche unserer Feindinnen und Feinde (oder gar Fans?) vermuten mögen, hängen hier auch keine großen Fanposter von »Arik«. Nur fröhliche Israel-Flaggen zieren hier und da die lichtarmen Redaktionsräume. Über Sharon werden Sie in dieser Ausgabe also kaum etwas lesen, dafür natürlich weiterhin über Nahost-Konflikt & Co. Die Prioritäten werden eben in bestimmter Weise gesetzt. Andere Themen werden dafür seit Jahren nicht aufgegriffen. Verschlafen, meinen einige. Sowieso alles Mumpitz, meinen andere. Aber das ist ein anderes Thema.