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Nicht nur der Leitfaden für »antidiskriminierendes Sprachhandeln«, der gerade von der AG »Feministisches Sprachhandeln« der Berliner Humboldt-Universität herausgegeben wurde, mutet avantgardistisch an, wenn man als Redakteurin bei einer Zeitung arbeitet. Angesichts der Anrufe, die man von PR-Agenturen entgegennimmt, erscheint fast schon die Forderung nach einer Frauenquote in den Chefetagen von Unternehmen visionär. Wenn Mitarbeiter von PR-Agenturen in der Redaktion anrufen und die Stimme am anderen Ende der Leitung als weiblich identifizieren, gehen sie in der Regel davon aus, eine Sekretärin am Apparat zu haben. Was viele entweder in der Überzeugung von ihrer eigenen Wichtigkeit kränkt oder ihnen ein willkommener Anlass ist, die eigene Wichtigkeit zur Schau zu stellen. »Verbinden sie mich bitte mit dem zuständigen Ressort«, lautet der auffallend barsch oder schnoddrig vorgetragene Satz. Informiert man den Anrufer, dass er bereits mit dem zuständigen Ressort verbunden ist, wird man in gereiztem Tonfall aufgefordert, den Anrufer »mit dem zuständigen Redakteur« zu verbinden. Überbringt man die frohe Nachricht, dass der Anrufer bereits seit Beginn des Telefonats mit einer Redakteurin spricht, erhält man nur selten ein entschuldigendes »alter Reflex« oder ein räusperndes »Ach, oh, das war ein bisschen unpassend gerade, oder?« In der Regel verlangt der Anrufer stattdessen nach dem Ressortleiter oder gleich nach dem Chefredakteur. Meist entpuppt sich die wichtige vertrauliche Information als Einladung zu einer Pressekonferenz. Dass die PR-Abteilungen der Republik dennoch nicht völlig unvertraut mit den Gegebenheiten der modernen Arbeitswelt sind, erkennt man an personalisierten Pressemitteilungen, die wir seit einiger Zeit erhalten. Die Mail vom Jagdverband ist persönlich an den Kollegen adressiert, ebenso wie Einladungen zu geopolitischen Konferenzen. Die Redakteurin wird stets persönlich angesprochen, wenn ein neues Medikament gegen Blasenschwäche auf den Markt gebracht wird oder eine Veranstaltung zum »Pflegenotstand« ansteht. Dass es auch anders geht, zeigte neulich eine Agentur, die zu einem Ausflug einlud. Da wurden der Redakteur und die Redakteurin namentlich angesprochen, allerdings nicht mit der üblichen Anrede »Herr und Frau«, sondern als »Familie«. Vermutlich wollte die Agentur mit dieser originellen Ansprache darauf hinweisen, dass sich die Trennung zwischen Arbeits- und Privatsphäre in der modernen Arbeitswelt auflöst. Wobei, als linke Wochenzeitung hätten wir dieses Hinweises gar nicht bedurft, schließlich warnen wir seit Jahren vor den Auswirkungen dieser Entwicklung. Aber schön, dass wir zumindest in diesem Punkt Aufklärungsarbeit leisten konnten.