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Den Tisch in unserem Konferenzraum ziert ein kleines Glöcklein. Im grauen Alltag wird es meist geschwungen, um eine Konferenz einzuläuten. Statt dann umgehend in den Konferenzraum zu eilen, will der eine noch seine Zigarette zu Ende rauchen, die andere unbedingt noch einen Text lesen. Nur noch eine ferne Erinnerung sind die Zeiten, in denen man dem Ruf des Glöckleins mit größerem Eifer folgte, da Aussicht bestand, dass eine leckere Mahlzeit serviert werden würde. Es waren dies die Zeiten der Dschungelkantine, und obwohl beim Essen nicht das Gesetz des Dschungels galt, wollte damals niemand trödeln.
Wehmut erfüllte die Herzen, als am Donnerstag voriger Woche die Glocke geläutet wurde. Zwar gab es Kuchen und Sekt, doch aus traurigem Anlass. Eine Geschäftsführerin feierte ihren Abschied. Ihrer Initiative hatten wir unter anderem die Dschungelkantine zu verdanken, doch auch wenn wir alle zwei Monate nach der Dschungelbar aus dem Laidak wanken, würden wir an sie denken, wenn wir noch nüchtern genug wären. Die passionierte Extremsportlerin brachte Schwung in den Laden und ließ sich nie dadurch entmutigen, dass es nicht immer gelang, die Trägheit der Masse zu überwinden. Davon profitieren nun andere und das hat auch eine gute Seite. Denn abgesehen von einem einzigen früheren Mitarbeiter, der sich der dunklen Seite der Macht zugewandt hat, müssen wir uns unserer Ehemaligen bei NGOs und Medien nicht schämen. Vielen gelingt es, das edle Werk der Subversion an ihrem neuen Arbeitsplatz fortzusetzen. Tapfer unterdrückten daher alle ihre Tränen, was etwas leichter fiel, da die ehemalige Geschäftsführerin uns eng verbunden bleiben wird. Schon bald werden Sie sie auf einem Podium der Jungle World sehen können.
In Stellenanzeigen nennen wir sie »vielseitig«, aber wenn wir mal ehrlich sind, kann die Tätigkeit in der Geschäftsführung der Jungle World als Extremsport betrachtet werden. Denn sie hat wenig mit Führung zu tun, vielmehr gilt man als zuständig für alles, wofür sich sonst niemand zuständig fühlt. Um neben der Erledigung der eigentlichen Aufgaben die Redakteurinnen und Redakteure glücklich zu machen, die sich mal über den Mangel an Milch, mal über die schlechte Beleuchtung, immer aber über irgendetwas beklagen, sind auch Kompetenzen in Catering, Elektrotechnik und anderen Fachgebieten sowie diplomatisches Geschick gefragt. Umso glücklicher können wir uns schätzen, eine neue Geschäftsführerin gefunden zu haben, die alle Herausforderungen bereits kennt und trotzdem verwegen genug ist, sich ihnen nun dauerhaft zu stellen. Und so gerne wir Kuchen naschen und Sekt schlürfen, hoffen wir doch, dass die Abschiedsglocke für sie sehr, sehr lange nicht läuten wird.