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»Was machst du an Silvester?« Wird man schon Wochen vor dem Jahreswechsel mit dieser Frage konfrontiert, sorgt das nicht unbedingt für gute Stimmung. Diejenigen, die noch keine Pläne haben, fühlen sich planlos. Und diejenigen, die bereits Mitte November exakt Auskunft darüber geben können, wie sie wo mit wem Silvester verbringen, wissen, dass sie dabei den Charme von Versicherungsvertretern versprühen. Bei der Jungle World kümmern wir uns sogar noch früher um Silvester. Spätestens Anfang Oktober wird auf einer Sitzung darüber debattiert, was wir »mit Silvester machen«. Obwohl wir ansonsten gerne den Eindruck erwecken, wir seien ein hedonistisch orientiertes Kollektiv, geht es natürlich nicht um die Klärung solch banaler Fragen wie »Party oder Skiurlaub?«, sondern darum, ob wir am 31. Dezember arbeiten oder nicht. Die Choreographie dieser Sitzung ist so vorhersehbar wie »Dinner for one«. Alle zücken ihre Kalender oder Smartphones, dann werden Produktionstage addiert, Druckereitermine mit den Arbeitszeiten der Postboten abgeglichen und es wird nach irgendwelchen Kapazitäten in der Vorweihnachtszeit gefahndet, die für die Neujahrsausgabe veranschlagt werden könnten. Die Sitzung endet Jahr für Jahr mit der Feststellung, dass Silvester »dieses Mal« ausgesprochen ungünstig fällt und wir leider arbeiten müssen. Findet Silvester nicht an einem Wochenende statt, fällt es für die Jungle World nämlich immer ungünstig. Viele von uns wissen vermutlich noch nicht genau, wie sie den Silvesterabend verbringen werden, aber wie die Stunden davor aussehen, steht bereits fest. Wir werden uns früh morgens, während sich der Rest der Stadt noch im seeligen Schönheitsschlaf für die Nacht der Nächte befindet, auf den Weg zum Supermarkt machen. Das hat den Vorteil, dass wir dort fast die einzigen Kunden sind, und den Nachteil, dass wir schlaftrunken die Einkäufe für die Mittagspause, das Essen bei Freunden und Neujahr bewältigen müssen, irgendetwas Wichtiges vergisst man dabei immer. Während der Mittagspause verbringen wir dann noch einmal gefühlte ein bis zwei Stunden im Supermarkt, weil der Spätkauf um die Ecke zwar über ein großes Sortiment an Raketen, Wunderkerzen und Schnaps verfügt, aber keine laktosefreie Sahne oder frischen Minzblätter im Angebot hat. Entsprechend spät wird der Feierabend eingeläutet. Beim Essen monieren die Freunde, dass der Nachtisch, den man mitgebracht hat, ruhig etwas raffinierter hätte ausfallen können, und auf der Party stehen wir schlecht gelaunt in der Ecke, nachdem uns mehrere Gäste erzählt haben, wie sehr sie die Zeit »zwischen den Jahren« genossen haben. Aber wer braucht schon Silvester?