Berlin Beatet Bestes. Folge 276.

Comiczeichnen lohnt sich nicht, mein Darling

Berlin Beatet Bestes. Folge 276. B. K. Anderson: The Minimum Wage (1962).

You work each day half around the clock/You get your pay, but you’re still in hock/Your jeans are clean and there ain’t a cent/The landlord comes but the rent is spent/The minimum wage, the minimum wage, it’s a sin – the minimum wage/You sweat and slave ’til you’re 65/And get a minimum pension if you’re still alive/You break your back and you come home home beat/It’s rough, it’s tough, but you got to eat/The rich get rich and the poor stay poor/You’re sick, sick, sick and there ain’t a cure/The day you die, they’ll engrave your stone:/Here lies a guy but he’s not alone/He might have lived his maximum age,/but he died broke from the minimum wage.«
Diesen soulig-swingenden, bitter-ironischen Song über die Mindestlohnsklaverei veröffentlichte B. K. Anderson 1962 auf dem winzigen New Yorker Label Swirl. In dem Song beklagt er vor allem, dass der Lohn so minimal war, dass er nicht mal für die Miete reichte. Einen gesetzlichen Mindestlohn von 25 Cent pro Stunde gab es in den USA bereits seit 1938.
Mein eigener Lohn lag in den vergangenen 30 Jahren fast immer unter dem Mindestlohn. Ach was, sogar unter dem Existenzminimum. Der Stundenlohn für meinen »Bigbeatland«-Strip – würde ich denn einen errechnen wollen – beträgt zum Beispiel 2,50 Euro. Ich sitze ungelogen zehn Stunden an einem Strip, gebe mir aber oft trotzdem so viel Mühe, als würde ich das Zehnfache des Honorars dafür bekommen. Bezahlung ist keine Kategorie, anhand derer ich den Wert meiner Arbeit bemesse. Schon deshalb nicht, weil ich umgekehrt für die einfachsten Illustrationsjobs immer das meiste Geld erhalten habe. Der Typ, der die Diddl-Maus erfunden hat, ist Millionär – das sagt doch alles über die Qualität und den Stellenwert von Comics in der Illustrationsbranche. Aufwendig geschriebene und gezeichnete Comics hingegen bringen wenig ein. Ich lebe mit wenig, aber ich lebe gut, habe kein Auto und kein Handy und den Computer, auf dem ich gerade schreibe, hat mir ein JungleWorld-Leser geschenkt. Ein Einbrecher würde in unserer Wohnung nichts Wertvolles entdecken, außer einer ziemlich großen Plattensammlung. Und wenn die plötzlich weg wäre, würde sich meine Freundin sehr freuen. Die meisten Leute sehnen sich nach I-Phones für 1 000 Euro. Oder nach Autos, oder was weiß ich für teuren Sachen. Dabei sind teure Sachen fast immer doof. Meine Eltern liebten teure Sachen und es wurde ihnen zum Verhängnis. Vor 20 Jahren fuhren sie in einer Corvette gegen einen Baum und waren sofort tot. Apropos Kapitalismus, gestern saß der Millardär Dirk Rossmann in der Talkshow von Markus Lanz und sang erst ein Hohelied auf ebendiesen und danach auf die Bescheidenheit, auf das Skatspielen mit Freunden und seine Familie. Er wirkte total glaubwürdig. Es war zum Kotzen.
In Deutschland wurde der Mindestlohn erst am 1. Januar 2015 eingeführt. Er beträgt übrigens zufällig genau so viel wie der Preis dieser jüngst vom englischen Outta-Sight-Label wieder veröffentlichten Single: 8,50 Euro.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.