Putschversuch in Burundi

Er ist nicht aufzuhalten

In Burundi ist ein Putschversuch gescheitert. Der Präsident bleibt vorerst im Amt, obwohl er gegen die Verfassung und geltende Abkommen verstoßen hat.

Die Nachbarn beginnen, sich Sorgen zu machen. Am Montagabend kündigten die Staaten der Region der »Großen Seen« in Zentralafrika, darunter die Demokratische Republik Kongo (DRK), Ruanda, Uganda, Tansania, Kenia und Sambia, auf einem Sondergipfel in Angola an, eine Delegation in das Mitgliedsland Burundi zu entsenden. Ferner riefen die Staaten zur Überwindung der dortigen politischen Krise auf und wollen das Risiko gewaltsamer Auseinandersetzungen verkleinern. Auch streben die Nachbarländer eine Rückkehr der burundischen Flüchtlinge in ihr Herkunftsland an. Bis zum Wochenende waren 105 000 Menschen aus Burundi vor allem nach Tansania, Ruanda sowie in den Osten der DRK geflohen.
Die akute Krise wurde dadurch ausgelöst, dass der 51jährige burundische Staatspräsident Pierre Nkurunziza entgegen der Verfassung beschlossen hatte, für ein drittes Mandat als Staatsoberhaupt zu kandidieren (Jungle World 19/2015). Die Präsidentschaftswahl soll am 26.Juni stattfinden. Gut zwei Monate vor dem Termin hatte Nkurunziza seine Absicht angekündigt. Sein Vorhaben verstößt nicht nur gegen die geltende Verfassung, sondern widerspricht auch dem internationalen Abkommen, das 2005 im tansanischen Arusha getroffen wurde, um den damals seit zwölf Jahren andauernden, schleichenden Bürgerkrieg in Burundi zu beenden. Beide Texte schreiben vor, dass Burundis Präsidenten nur jeweils zwei Amtszeiten hintereinander absolvieren dürfen. Doch ein Sprecher des Regierungslagers erklärte Anfang März dazu in der Hauptstadt Bujumbura: »Das Abkommen von Arusha ist keine Bibel.« Nkurunziza machte sich eine Verfassungsinterpretation zu eigen, derzufolge seine erste Amtszeit von 2005 bis 2010 nicht zählt, weil er damals vom Übergangsparlament und nicht von der wahl­berechtigten Bevölkerung gewählt wurde.

Bis 2006 herrschten in Burundi bürgerkriegsähnliche Zustände und es gab immer wieder Kampfhandlungen, weshalb eine allgemeine Wahl damals nicht auf dem gesamten Staatsgebiet ­organisiert werden konnte. Erst 2010 konnte sich Nkurunziza durch die Bevölkerung im Amt bestätigen lassen. Zumindest formal. Denn die Opposition hatte sich von der Wahl zurückgezogen, mit der Begründung, dass die Bedingungen für eine freie, gleiche, geheime und unmanipulierte Wahl auf keinen Fall gewährleistet seien. Vorausgegangen waren gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen teilweise bewaffneten Anhängern der Regierungspartei CNDD-FDD und einer Oppositionspartei, der »Front für die Demokratie in Burundi« (Frodebu). Als einzig übriggebliebener Kandidat hatte Nkurunziza damals folglich leichtes Spiel.
Die Bevölkerung Burundis hatte also sehr gute Gründe, angesichts der Ankündigung einer erneuten Kandidatur Nkurunzizas misstrauisch zu sein. Die Fluchtbewegung in die Nachbarländer setzte denn auch bereits Wochen vor seiner Ankündigung vom 25. April ein. Nach diesem Tag begannen die offenen Proteste der Opposition. Mindestens 400 Menschen wurden verhaftet und festgehalten, mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden die meisten davon gefoltert. Bis Mitte vergangener Woche kamen zudem mindestens 20 Menschen durch Schusswaffeneinsatz ums Leben. Die Toten gingen überwiegend nicht auf das Konto des Militärs, sondern auf das der Polizei sowie bewaffneter Zivilisten, insbesondere der durch Regierungssympathisanten aufgebauten Miliz Imbonerakure. Hauptgrund dafür ist, dass die Polizei stark von Parteigängern der Regierung durchsetzt ist, während die Zusammensetzung der Armee jedenfalls in »ethnischer« Hinsicht stärker gemischt ausfällt. Die bewaffneten Verbände, die aus unterschiedlichen politischen Lagern kamen und sich auf verschiedene Bevölkerungsgruppen beriefen, vor allem Hutu und Tutsi, waren nämlich infolge der von 2000 bis 2005 währenden Friedensverhandlungen in Arusha mit der regulären Armee fusioniert worden.

Am Mittwoch voriger Woche erklärte dann ein Flügel der Armee Präsident Nkurunziza für abgesetzt. Unter General Godefroid Niyombare unternahmen Militärangehörige einen Putschversuch. In Teilen der Bevölkerung scheint dieser ausgesprochen populär gewesen zu sein, wie Äußerungen verschiedener Burunderinnen und Burunder im Internet und bei Facebook zeigen. Zwar genoss Niyombare selbst nicht gerade viel Vertrauen in der Bevölkerung, da er noch bis Februar Chef des gefürchteten Geheimdiensts war, bevor er sich mit Nkurunziza überwarf. Doch scheinen viele Menschen in Burundi der Auffassung, er habe zumindest das Problem Nkurunziza gelöst. Dieser weilte zu der Zeit auf einem Gipfel der Staaten der Großen Seen in Tansanias Hauptstadt Daressalam, wo die Regierungen der Nachbarländer versuchten, ihn von seinen Plänen für eine dritte Amtszeit abzubringen.
Doch Nkurunziza kehrte eilends nach Burundi zurück; nicht direkt über den Flughafen von Bujumbura, über den er nicht hätte einreisen können, sondern auf dem Landweg über die nord­burundische Regionalhauptstadt Ngozi. In der Nähe dieser Stadt wurde er geboren und in der dortigen Region hat er noch viele Anhängerinnen und Anhänger. Dies ist vor allem der Nahrungsmittelhilfe zu verdanken, die an die ländliche Bevölkerung über klientelistische Netzwerke verteilt wird, aber auch dem ethnisierenden Diskurs der Machthaber. Nkurunziza war zeit seines Lebens ein Hutu-Nationalist. Sein Vater wurde bei den Massakern von 1972 durch Tutsi-Militärs umgebracht. Nkurunzizas Politik als Präsident hat allerdings viele Angehörige der Hutu-Mehrheitsbevölkerung enttäuscht. Die Anziehungskraft des Ethno-Nationalismus hatte abgenommen, doch in der derzeitigen Krise wird er wieder gestärkt.
Die Putschisten scheiterten im Laufe des Wochenendes. Möglicherweise dazu beigetragen hat auch, dass die Initiatoren des Putsches interna­tional isoliert blieben. Zwar hatten die Europäische Union und die USA zuvor versucht, Nkurunziza von einer erneuten Kandidatur abzuhalten. Doch nach dem Putsch erklärten die USA und der Uno-Sicherheitsrat ebenso wie die Staaten der Region auf ihrem Sondergipfel vom Montag, dass allein der amtierende Präsident staatsrechtliche Legitimität genieße und die Putschisten die Macht wieder abgeben müssten.
Frankreich, das auch für die ehemalige belgische Kolonie Burundi als Schutzmacht dient, hielt sich offiziell bedeckt und forderte zur Ruhe auf. Im Außenministerium in Paris erklärte man einer Delegation aus besorgten Burundern und französischen Menschenrechtlern, es handele sich um eine interne Angelegenheit Burundis und man mische sich nicht ein – was insofern nicht stimmt, als dass das internationale Abkommen von Arusha verletzt worden war.
Seit dem Wochenende befinden sich drei Anführer des Putsches in Haft und wurden zum Sitz des berüchtigten Inlandsgeheimdiensts gebracht, wo ihnen Folter droht. General Niyombare selbst ist auf der Flucht. Unterdessen begannen am Montag wieder die Demonstrationen gegen den Präsidenten, zunächst zaghaft und in kleineren Gruppen. Seinen Verteidigungsminister entließ Nkurunziza am Montag, weil dieser offenbar nicht hart genug gegen die Demonstrierenden durchgegriffen hatte; auch der Außenminister musste gehen. Unabhängige Medien sind Repressionen ausgesetzt, Fernseh- und Radiosender wurden beschossen und zerstört.
Viele Menschen zeigen sich vom Ausgang des Putschversuchs enttäuscht und kritisieren nun auch offen die Militärangehörigen, die ihn unternahmen. Die Radiojournalistin Patricia* vermutete gegenüber der Jungle World gar, es könne sich von Anfang an um eine Inszenierung gehandelt haben, um die Zivilbevölkerung von Eigeninitiativen abzuhalten. Dagegen spricht allerdings, dass die Anführer des Putschversuchs nun wohl einen hohen Preis bezahlen müssen.

*Name auf Wunsch geändert