Keine Wahlen in Thailand

Monarch und Militär

Vor einem Jahr, am 22. Mai, übernahm eine Militärjunta die Macht in Thailand.

König Bhumibol Adulyadej, das am längsten amtierende, noch lebende Staatsoberhaupt der Welt, verließ am 10. Mai nach sieben Monaten das Krankenhaus. Stunden bevor seine motorisierte Eskorte durch Bangkoks Straßen fahren sollte, waren bereits die Gehwege von Horden seiner gelbgekleideten Unterstützer gesäumt, im Schneidersitz wedelten sie mit Fahnen und hielten Fotos. In Thailand steht die Farbe Gelb für den Montag, aber auch die Monarchie – und für die Protestbewegung, die 2006 ihren Anfang nahm und auf die der Sturz gewählter Regierungen zurückzuführen ist, darunter die Thaksin Shinawatras und die seiner Schwester Yingluck. Thaksin wurde im September 2006 als Ministerpräsident abgesetzt, nachdem auf Korruptionsvorwürfe Massenproteste der »Gelbhemden« gefolgt waren. Dies rief wiederum die Bewegung der »Rothemden« hervor, die für Thaksin auf die Straße gingen. Seitdem hat sich in der thailändischen Gesellschaft eine Kluft entlang dieses Konflikts aufgetan.

Diese Kluft vertiefte sich im Mai vergangenen Jahres, als Yingluck angesichts weiterer Proteste gegen ihre Regierung vorgezogene Wahlen ankündigte. Die Neuwahlen fanden niemals statt, stattdessen übernahm das Militär die Macht, wie bereits elf Mal zuvor in Thailands junger Geschichte als konstitutionelle Monarchie.
Chet, der sich selbst als »Rothemd« bezeichnet, schloss sich 2010 der Bewegung an, nachdem Soldaten das Feuer auf Demonstrierende eröffnet und 90 Menschen getötet hatten. Prayut Chan-o-cha, der derzeit amtierende Ministerpräsident, war zur Zeit des Massakers ein hoher Befehlshaber der Armee. Chet denkt, die Lage werde sich eher noch verschlechtern: »Wir müssen mindestens einige Jahre in einer Krise sein, bevor der Rest des Landes sagt, ›Okay, das funktioniert nicht‹, und ich bin schon damit zufrieden, etwas gegen die Ignoranz der Leute zu tun. Wie es in ›The Hunger Games‹ heißt: ›Wenn wir brennen, brennt ihr mit uns‹.« Die dystopische Trilogie »The Hunger Games« ist surrealerweise zum Symbol der Dissidenz geworden. Unter dem Militärregime verboten sind unter anderem der ihr entlehnte dreifingrige Anti-Putsch-Gruß und das Lesen von George Orwells »1984«. Dafür werden an Schulen Prayuts zwölf »Kerntugenden der Thais« rezitiert und der Staat ermutigt dazu, sich dessen wöchentliche Rede an die Nation anzusehen.

Im Zentrum des Ganzen steht der König. Am 12. Mai bestätigte das Berufungsgericht eine gegen eine 65jährige psychisch kranke Frau verhängte einjährige Haftstrafe, sie war angeblich auf ein Bild Bhumibols getreten. Das fällt unter Artikel 112 des thailändischen Strafgesetzbuchs: Majestätsbeleidigung. Im vergangenen Jahr soll es der Nachrichtenseite pratachi.com zufolge die meisten Verfahren wegen Majestätsbeleidigung in der Geschichte Thailands gegeben haben.
Michael Montesano vom Institute of Southeast Asian Studies in Singapur meint, das Militär nutze den König, um seine Herrschaft zu legitimieren. Bhumibol ist einer der reichsten Monarchen der Welt. In Thailand sei dies bekannt, doch Informationen darüber würden regelmäßig durch das Regime blockiert, sagt Chet. Wegen der Altersschwäche des Königs ist das Thema Monarchie derzeit besonders heikel. Sein Nachfolger wird kaum dieselbe Unterstützung genießen. Ein Grund ist, dass dem Kronprinzen Verbindungen zu Thaksin nachgesagt werden, das Militär ist jedoch auf die Unterstützung der Gelbhemden angewiesen, die wiederum die Unterstützung des Königs benötigen.
Womöglich hat diese drohende Krise das Militär dazu veranlasst, den Zugriff auf Thailand zu straffen. Die Junta des »Nationalen Rats für Frieden und Ordnung« (NCPO) arbeitet fieberhaft an einer neuen Verfassung, die den politischen Einfluss von Populisten wie Thaksin einschränken soll. Bis zu ihrer Verabschiedung soll es keine neuen Wahlen geben, was Thailand in einem demokratischen Vakuum belässt.
Obwohl auch die Freiheit des Internets bedroht ist, sieht Chet es als den Ort, von dem aus noch ein Wandel stattfinden könnte: »Wir setzen immer noch Hoffnung in die neue Generation, deren Gehirne nicht von der Propaganda gewaschen wurden. Sie haben so viele Wege, sich politisch zu informieren, sie haben das Internet, iPads, Facebook, also hoffe ich wirklich darauf.«