Berlin Beatet Bestes. Folge 309.

Raus aus der Deckung

Berlin Beatet Bestes. Folge 309. Meschiya Lake und die Dizzy Birds, live im Bassy Club.

Es scheint, als wäre Traditional Jazz, die Musik von Dixieland-Opas, die zum Frühschoppen für sitzende Studienräte spielen, heutzutage scheintot. Im Verborgenen hat sich aber in den vergangenen Jahren eine neue, jüngere Szene entwickelt, oft im Dunstkreis des Swing-Tanzes. All diese versierten Bands veröffentlichen ihre CDs selbst, denn bislang gibt es international keine auf Traditional Jazz spezialisierten Labels. Die großflächig tätowierte Sängerin Meschiya Lake aus New Orleans ist die Amy Winehouse des gegenwärtigen Traditional Jazz und auch der einzige Star dieser Untergrundszene. Von akademisch ausgebildeten Jazz-Sängerinnen hebt sie sich schon durch ihre Erscheinung ab, vor allem aber mit ihrer durch jahrelanges busking als Straßenmusikerin trainierten Stimmgewalt.
Seit vielen Jahren tourt sie durch die USA und Europa. Auch in Berlin ist sie schon öfter zu Gast gewesen, zuletzt im Frühjahr dieses Jahres. Ihre amerikanische Band, die Little Big Horns, hatte sie zu Hause gelassen und sich von den Berliner Dizzy Birds begleiten lassen. In der vergangenen Woche kehrte sie nun zurück ins Bassy in Berlin-Prenzlauer Berg. Zuvor hatten die Dizzy Birds und Meschiya Lake bereits auf der jährlich stattfindenden Swingtanzveranstaltung »Castle Camp« Gelegenheit, miteinander warmzuwerden. Meschiya Lake erreicht mittlerweile auch Musikfans außerhalb der Swingtanzszene und so machte die Show im Bassy zunächst den Eindruck eines gewöhnlichen Clubauftritts. Die Dizzy Birds hielten sich zurück und ließen Meschiya Lake und ihrem Gitarristen Russell Welch viel Raum. Den zahlreichen Soli des virtuosen Instrumentalisten wurde begeistert applaudiert. Meschiya Lake, im hautengen Stretch-Minikleid, war dabei nicht nur Bühnenmittelpunkt, sondern auch Chefin im Ring. Immer wieder gab sie Bandmitgliedern Zeichen, wenn es darum ging, den Song zu Ende zu bringen. Getanzt wurde selbstverständlich auch, Paartanz war hingegen eine Sache der Spezialisten, denn viel Platz gab es nicht.
Während des Tanzens wartete ich auf die Dizzy Birds, also darauf, dass sie aus ihrer Deckung kämen. Die Dizzys sind in diesem Jahr so etwas wie die Hausband des Bassy geworden. Jede zweite Woche spielen sie dort entweder in fester Besetzung oder bei diversen Jam-Sessions. Sogar einen »Musicality Workshop« für Tänzer gab es schon, bei dem sie die musikalische Struktur ihrer improvisierten Musik erklärten. Ich habe sie also bereits sehr oft gesehen und weiß, wie gut sie sind. Erst um halb eins, beim dritten Set, war es dann soweit. Posaunist Carlos St. Ana und Klarinettist und Sopransaxophonist Laurent Humeau legten richtig los. Vor allem Laurent schien seine Schüchternheit überwunden zu haben. Endlich klang er laut und lässig! Zusammen mit Meschiya Lake haben die Dizzy Birds übrigens auf dem »Castle Camp« ein Album aufgenommen. Es wird wohl nicht auf einem Traditional-Jazz-Label erscheinen, aber ich freu mich schon drauf.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.