Schneller!

Früher las ich in der Zeitung, was ich am Vortag schon im Radio gehört hatte, nur mit allerlei Meinungsbrimborium ausgestattet und mit redaktionellen Linien durchzogen wie das Gesicht einer chinesischen Greisin. Heute lese ich auf bento.de die Zusammenfassung dessen, was ich vor vier Stunden in meiner Facebook-Timeline hatte, nur mit Werbung und als Klickstrecke, sowie mit abgeschaltetem Kommentarbereich, weil man sich selbst in der Clickbait-Hölle vor seinen Lesern nurmehr graust. In wenigen Jahren wird mir dann mein Nano-Assembler ausdrucken, was ich vor fünf Sekunden im Neuro-Downstream empfangen habe, und Wille und Vorstellung werden noch weiter ineinander wabern. Zum Glück gibt es sogenannte Akzelerationisten, die das alles nicht nur prima finden, sondern auch mit vielen schlauen Wörtern erklären können. Armen Avanessian, der sich diese akzelerationistische Theorie in seinem privaten Literaturlabor zusammengebastelt hat, hält sein schönes Gesicht derzeit in viele Kameras. Wenn, so die These, alles immer schneller wird, dann wird auch der Kapitalismus immer schneller und er wird auch schneller zusammenbrechen. Das klingt zunächst einmal so einleuchtend wie übergeschnappt. Aber: Wenn man alles beschleunigt, beschleunigt man dann ja nicht auch die Kräfte, die die Feinde des Kapitalismus ausfindig und dann auch sehr schnell plattmachen? Und ist, seit die meiste Börsenarbeit von Computern gedankenschnell erledigt wird, denn irgendwas besser geworden, zeigt der Kapitalismus denn irgendwo Ermüdungserscheinungen? Aber wo! Pfeifendeckel! Armer Avanessian, möchte man da ausrufen, der du von sozialistischen Raketen und Sportwägen träumst! Hast dir beim Akzelerieren halt ein bisserl den Kopf am Airbag gestoßen, gell.