Home Story

Es gibt Orte, an denen man den eigenen Kolleginnen oder Kollegen nicht begegnen möchte. Auf Tinder beispielsweise, wenn man gerade in der gemischten Sauna das Handtuch abgelegt hat, oder am Tresen einer Bar, nachdem man mitten in der Woche und schon vor Mitternacht mehr als drei alkoholische Getränke zu sich genommen hat. In der vergangenen Woche wurden für einige Redakteurinnen und Redakteure gleich zwei dieser Szenarien Realität.
Vielleicht sogar alle drei, allerdings ergab eine kleine, zugegebenermaßen nicht ganz umfassende Umfrage – geführt während der Mittagszeit –, dass hier niemand auf Tinder ist. Für weitere Details wurde man lakonisch auf den Facebook-Beziehungsstatus verwiesen.
Es gehört zwar nicht zum Image einer Zeitung, die den ungesunden Lifestyle zur letzten Bastion der Gesellschaftskritik erklärt hat, aber nachdem vor Jahren die ersten Vegetarier Einzug in die Redaktion gehalten hatten, war es schnell vorbei mit der Konsensparole »Stay Punk«. Stattdessen etablieren sich neue Trends: Kinderkriegen, E-Zigaretten und Leistungssport. Und so kann es durchaus passieren, dass sich die Auslands- und die Thema-Redakteurin nach dem Frühsport oder dem Yogakurs im Fitnessstudio kurz vor Beginn der Redaktionskonferenz auf der Saunabank begegnen. Keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser, die Fraktion der »derben Calvinisten«, wie ein Kommentar auf Facebook es ausdrückte – ja, denn die Fitness- und Clean-Eating-Fans prahlen gerne mit ihren Erfolgen – ist noch eine kleine Minderheit innerhalb der Redaktion. Noch gelten sie als »Streber« und Anhänger der »Frühaufsteherdiktatur« und möglicherweise wird es auch eine ganze Weile so bleiben.
Wie dogmatisch die Ansicht ist, dass sich Wellness und Saufen gegenseitig ausschließen, konnten Freundinnen und Freunde dieser Zeitung am Montag in Berlin erleben. Dort übernahmen Redakteurinnen und Redakteure für einen Abend den Tresen im legendären »Möbel Olfe« am Kotti. »Soldarität vom Fass« lautete das Motto, denn wir haben auch Feinde und sie ziehen manchmal gegen uns vor Gericht. Damit uns das finanziell nicht das Genick bricht, gibt es einmal im Jahr einen solchen Soliabend. Und das funktionierte wunderbar. Ein ganz besonderer Dank geht an das Olfe-Team, das uns so geduldig unterstützt hat. Auch die Wellness-Redakteurinnen absolvierten übrigens brav ihre Schicht hinter dem Tresen, sogar beim Schnapstrinken und Rauchen wurden sie ertappt. Es ist noch nicht bestätigt, ob und wann sie am nächsten Tag das Fitnessstudio aufgesucht haben.