Es geht um die Wurscht

Leo Fischer klingt heute wie Harald Martenstein.

Ich habe einen Bekannten, der AfD wählt. Er sieht gut aus, verdient gut, macht Sport und hat natürlich auch ausländische Freunde, die bei ihm putzen. Er ist, mir darin nicht ganz unähnlich, ein schon etwas angeranzter Redakteur bei einer Zeitung und dafür verantwortlich, dem liberalen Teil der Leserschaft Rechtsaußen-Positionen als frivoles Gedankenspiel zu verhökern. Wird das jetzt alles abgewertet, nur weil der Mann AfD wählt? Darf man ihn nicht mehr liebhaben, nur weil man anderer Meinung als er ist? Oder sogar derselben?
Es gibt Leute, die jetzt den Kontakt zu ihm abbrechen. Diese Leute würde ich nicht Gutmenschen nennen, denn ihr Handeln ist nicht gut. Die AfD ist eine natürliche Konsequenz aus dem Versagen der verrotteten Systemparteien, und alles, was eine natürliche Konsequenz ist, verdient unsere Anerkennung. Nur weil ein Vulkan ausbricht, breche ich doch auch nicht den Kontakt zu ihm ab. Nein, ich surfe natürlich auf dem Strom heißer Lava, mitten ins Dorf. In meiner Welt heißt das Respekt.
Und was genau ist eigentlich das Problem? Ich bin mir sicher, dass mein widerstandsfrei dahingepfuschter Textmist auch unter einer AfD-Regierung ohne größere Eingriffe veröffentlicht werden könnte. Schließlich wollen sich die Bildungsbürger auch in der Diktatur amüsieren, dann sogar ganz besonders. Wer will ihnen dieses Recht nehmen? Ich möchte behaupten: Leute, die mein Treiben für ungut, opportunistisch oder verblendet halten, sind den Nazis, die sie vorgeblich bekämpfen, gar nicht mal so unähnlich. Oder andersherum: Wer die Rechtsextremen heute bekämpfen will, muss sie wählen. Denn dann stehen sie nämlich in der Verantwortung, können von leidenschaftslosen Funktionsschreibern wie mir fachgerecht durchgerödelt werden.
Warum ich Ihnen das alles schreibe? Nun, weil meine Mutter mal fast mit einem Farbigen durchgebrannt wäre und ich seither mit der Menschheit abgeschlossen habe. Mir, da können sie jeden fragen, ist seither praktisch alles wurscht. Aber um ­genau diese Wurscht geht es heute. Und um meine Mutter.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Martenstein