Berlin Beatet Bestes. Folge 338.

Willste viel, spiel’ Vinyl

Berlin Beatet Bestes. Folge 338. TSU!: Dadebe (2016).

Weltweit wächst die Nachfrage nach Vinyl, so auch in der Türkei. Die Vielzahl türkischer Vinyl-Veröffentlichungen publizistisch zu begleiten, hat sich das Record Store Journal Istanbuly zur Aufgabe gemacht. In dem zweimonatlich erscheinenden A5-Heft werden aktuelle elektronische Musik und Underground-Rock neben neue türkische Jazz-Raritäten vorgestellt und kenntnisreicher besprochen als in den etablierten Musikmagazinen. Das liegt vor allem daran, dass Vinyl die CD-Ära in Kult­sparten wie Punk, Techno und HipHop überlebte. Wer mit der Vinyl-Produktion der vergangenen 20 Jahre vertraut ist, kennt sich also auch in den disparaten dazugehörigen Genres aus. Auch wenn viele Mainstream-Acts mittlerweile auf Vinyl veröffentlichen, ist das Format bis heute vor allem im Underground vertreten.
Vom Plattensammeln und Plattenrezensieren ist es traditionell nur ein kurzer Weg zum Plattenverlegen. Pünktlich zum Record Store Day am 16. April veröffentlicht das zum Magazin gehörende Label Stücke von TSU!, dem akustischen Bandprojekt des Istanbuler Gitarristen James Hakan Dedeoğlu (mit dem stimmlosen Dehnungs-»ğ«: Dedeoh-lu). »Dadebe« ist bereits Dedeoğlus dritte LP, und wie bei allen vorherigen Veröffentlichungen hat die Fotografin Aylin Güngör auch hier das Cover gestaltet.
Mit akustischer Ambient-Musik kann ich im allgemeinen nicht viel anfangen. Nicht weil ich sie prinzipiell nicht mag, sondern weil ich dabei in Ruhe zuhören und stillsitzen muss. Ein Konzert von TSU! würde ich wahrscheinlich nie durchstehen. Irgendwann wäre ich abgelenkt, würde dazwischenreden, andere ablenken und so weiter. Typischer ADHSler. Die melancholische Gitarrenmusik von TSU! verlangt aber genau das: konzentriertes Zuhören. Umso besser passt sie auf eine LP. Mit Kopfhörern im Sessel versinken, einen Tee trinken und einen Joint rauchen – so was mache ich zwar nie, aber nun liegt die Platte auf dem Plattenteller und zieht mich in ihren Bann. In hypnotischen Schleifen wiederholen sich die Gitarrenriffs, ist das ruhige Gleiten der Finger über die Saiten zu hören. Hier und da kommen etwas Elektronik, eine Duduk-Flöte und eine Bouzouki hinzu. Aber traditionell türkisch ist diese Musik nicht, sie ist modern wie das junge Istanbul. Und sie verströmt eine Traurigkeit über die Verhältnisse, die vor allem die Jugend schmerzt.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.