Beim Coburger Convent marschierten Burschenschaftler mit Fackeln für den Frieden

»Scheißstudenten, geht arbeiten!«

Auf dem 148. Pfingstkongress des Coburger Convents verbanden Verbindungsstudenten die Parole »Frieden schaffen ohne Waffen« mit einem Fackelmarsch samt Marschmusik.

Im oberfränkischen Coburg haben sich 4 000 aktive und ehemalige Verbindungsstudenten zum 148. Pfingstkongress der Landsmannschaften und Turnerschaften des Coburger Convents (CC) getroffen. In dem 1951 entstandenen Korporationsverband sind 92 Verbindungen aus 46 Hochschulstandorten in Deutschland und Österreich organisiert. Der 10 000 Mitglieder zählende Männerbund mit dem Wahlspruch »Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland« ist »farbentragend« und »pflichtschlagend«.
Unter der Parole »Gegen den nationalistischen Flächenbrand« organisierten Linke Vorträge und Proteste gegen die Veranstaltungen der Korporierten. »Das sind keine Nazis, sie sind eher konservativ bis rechtskonservativ«, sagt Petra Klein von der Initiative »Studentische Verbindungen auflösen« im Gespräch mit der Jungle World. »In diesen Stukturen konnten jedoch Ressentiments gepflegt werden, die heute wieder offen zu Tage treten.«
Der CC selbst sagt auf seiner Website über sich: »Der Coburger Convent ist konfessionell, weltanschaulich und politisch ungebunden. Mitglied kann jeder eingeschriebene Student einer Hoch- oder Fachhochschule werden, ganz gleich seiner Religion oder Herkunft.« Offiziell distanziert man sich von der extrem rechten Deutschen Burschenschaft (DB), die mit der Forderung nach einer Art »Ariernachweis« von sich reden machte. Der CC lässt seine Mitgliedschaft im Convent Deutscher Akademikerverbände ruhen, da dieser sich nicht dazu entschließen konnte, die DB auszuschließen. Doch auch nach der offiziellen Distanzierung von der DB pflegten CC-Verbindungen Kontakte mit dieser. Die »Turnerschaft Munichia Bayreuth« etwa ist dem Antifaschistischen Infoblatt zufolge mit der DB-Burschenschaft »Thessalia zu Prag in Bayreuth« im Waffenring »Bayreuther-Korporations-Convent« organisiert. Da verbindungsintern keine Mensuren geschlagen werden dürfen, kooperieren in sogenannten Waffenringen meist auch verschiedene Dachverbände.
In den öffentlichen Reden betonte der CC dieses Jahr seinen angeblich demokratischen und liberalen Charakter. Beim sogenannten Totengedenken vor dem conventeigenen Kriegerdenkmal warnte der korporierte Pfarrer im Ruhestand Martin Siebert: »Wehret dem Hass, wehret religiösem und rassistischem Wahn.« Die wichtigste Aufgabe des CC sei: »Frieden schaffen ohne Waffen.« Dieser Pazifismus reiht sich in den bundesrepublikanischen common sense ein. Durch den erlittenen Tod sind nach Siebert alle gleich: »Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Chor der in den Todeslagern Ermordeten, der auf der Flucht von Deutschland nach Deutschland Erschossenen« zu sagen habe.
Noch deutlicher wurde Holger Marsch von der präsidierenden Landsmannschaft Rhenania beim Festkommers, der hochoffiziellen Feier des CC: »Menschen, die in Gemeinschaft leben, sind üblicherweise sehr am Erhalt und dem Ausbau derselben interessiert.« Bei allen Gemeinschaften sei gleich, dass sie eine Einheit von Menschen darstellten, die mit- und füreinander lebten. »Im Gegensatz dazu leben Individuen getrennt voneinander in nationalen oder kosmopolitischen Gesellschaften.« Die Teilnahme beruhe auf einem Zweckdenken, das heißt, Menschen empfänden die Gesellschaft nur dort, wo sie dem eigenen Vorteil dient. »Wenn sie an die Steuer-CDs oder die Panama-Papers denken, werden Sie wissen, wen und was ich meine«, so Marsch.
Die Gemeinschaft wurde im Anschluss bei einem Fackelmarsch durch die Coburger Innenstadt beschworen. Die Route führte unter anderem durch die ehemalige »Straße der SA«, die heute wieder »Mohrenstraße« heißt. Gegendemonstranten versuchten, den Umzug zu stören. Eine Filminstallation zeigte historische Aufnahmen von Verbindungsstudenten, die an Bücherverbrennungen beteiligt waren. »Scheißstudenten, geht arbeiten!« wurde ebenso gerufen wie »Die Nazis am Marktplatz ergötzen sich an eurer Scheißästhetik!«. Dort, auf dem Marktplatz, fand unter Parolen von Gegendemonstranten die Rede zur CC-Feierstunde statt, für die der mit Flaggen des Coburger Convents geschmückte Balkon des Rathauses zur Verfügung stand. Ein Neonazi mit einem Pullover des »Fränkischen Heimatschutzes« stimmte mit den versammelten Korporierten und der Lokalbevölkerung die Nationalhymne an, die vor einigen Jahren noch in allen drei Strophen gesungen wurde.
Ab 1939 durfte Coburg den Ehrentitel »Erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands« führen. 1922 fand hier der »Deutsche Tag« statt, auf dem die SA ihren ersten großen Auftritt hatte und sich Straßenschlachten mit linken Gegnern lieferte. Schon 1929 errang die NSDAP die absolute Mehrheit im Stadtrat, 1931 wehte am Rathaus erstmals an einem öffentlichen Gebäude in Deutschland die Hakenkreuzfahne.
Die Stadt Coburg empfängt die Verbindungen gerne. Um Pfingsten sind Ferienwohnungen und Hotels in der Umgebung ausgebucht. Die Gäste können alle repräsentativen städtischen Gebäude nutzen, der Bürgermeister ist bei den großen Feierlichkeiten zugegen. Schulen stehen als Unterkünfte zur Verfügung. Im vergangen Jahr sorgte Coburg für Aufsehen, weil der Stadtrat eine Straße nach dem Unternehmer Max Brose benannte, der ­NSDAP-Mitglied war und Zwangsarbeiter beschäftigt hatte. Ansonsten macht die 40 000 Einwohner zählende Stadt höchstens mit Jugendabwanderung und Rekordfunden von Crystal Meth auf sich aufmerksam.