Homestory #10

Die politische Meinungsbildung ist eine schwierige Angelegenheit, gerade in turbulenten Zeiten. Da weiß das einzelne Redaktions­mitglied manchmal selbst nicht, wo ihm politisch der Kopf steht. Wie gut, dass es Möglichkeiten der Selbstvergewisserung gibt. In der vergangenen Woche beglückte das Internet dankenswerterweise etliche Mitglieder der Redaktion mit dem kleinen Quiz »Political Compass of the Revolution – Who are you in 1917 Russia?« Wer einen multiple choice test beantwortete, erhielt umgehend die Antwort, welcher an der Russischen Revolution beteiligten Gruppe er oder sie angehört hätte: Bolschewiki, Anarchisten, internationalistische oder zentristische Menschewiki, linke, rechte oder zentristische Sozialrevolutionäre. Zudem werden die Gruppen in ein politisches Koordinatensystem zwischen rechts und links sowie demokratisch und autoritär eingeordnet. 
Das Spiel bescherte manchen in der Redaktion jedoch keine Bestätigung. Der Kollege, der sich mit den überzeugten Worten »Ich bin Bolschewik, ganz klar« an das Spiel machte, wurde beispielsweise den Anarchisten zugeschlagen – ein schwerwiegender Verlust letzter Gewissheiten. Die Kollegin, die den Anarchosyndikalismus zu ihren Hobbys zählt, war schwer erstaunt, als sie sich als internationalistische Menschewikin eingeordnet sah. Sie hatte jedoch eine Erklärung: Bei der Frage, ob der Achtstundentag erstrebenswert sei, habe sie »stimme auf keinen Fall zu« angekreuzt, da acht Stunden Arbeit am Tag viel zu viel seien. 1917 war es allerdings revolu­tionär, eine solche Arbeitszeit zu fordern. Missverständnisse kommen in diesem Spiel eben vor – was eine andere Kollegin nur be­stätigen konnte. Nach eigener Aussage hatte sie nur die Hälfte der Fragen verstanden. Das Programm wiederum schien nur die Hälfte der Antworten verstanden zu haben, jedenfalls wurde die Kollegin keiner Organisation zugeordnet und strandete im Koordinatensystem in einem demokratischen Mitte-rechts-Niemandsland. Ein Kollege aus dem Lektorat wurde als linker Sozialrevolutionär ge­outet. Wie er das geschafft hat, bleibt sein Geheimnis. 
Für die Statistiker nun die hard facts: Von elf Teilnehmern ist ­einer ein linker Sozialrevolutionär, eine gehört zu den internationalistischen Menschewiki, eine andere schwankt zwischen diesen und den Anarchisten. Neben der demokratischen Mitte-rechts-Kollegin gibt es insgesamt noch sieben Anarchisten, womit diese eindeutig in der Mehrheit sind. Hoffentlich verrät das niemand der Tscheka.