Platte Buch - Das neue Album von Superchunk: »What a Time to Be Alive«

Aus dem Sumpf

Kolumne Von

Vor Schreck über den Ausgang der Präsidentschaftswahl hat die US-amerikanische Indierockgruppe Superchunk im Winter 2016/17 brand­eilig ein neues Album mit dem Titel »What a Time to Be Alive« aufgenommen, bis zur Veröffentlichung aber in guter Do-It-Yourself-Tradition erst mal ein Jahr verstreichen lassen. In den Songtexten wird ein düsteres Bild gezeichnet: Die Wolke aus Hass zieht auf über dem Sumpf, aus dem die reaktionäre Macht steigt, tote Fotografen säumen ihre Wege, ein blutiger Albtraum. Immerhin, die ehemalige Whistleblowerin Chelsea Manning, deren Freilassung in einem Song gefordert wird, wurde inzwischen begnadigt und wirbt in ­einem Video in apokalyptischer Zombieoptik für sich als neue Senatorin von Maryland. Möglicherweise wäre sie genau die Richtige, um den Kampf anzutreten, die rückschrittlichen, ­unheilvollen Mächte zurück in den Sumpf zu treiben.

Unsereins neigt derweil vielleicht eher dazu, dem freundlichen Gitarrengeschrammel von Superchunk zu lauschen und in sanfter Melancholie der Abendsonne nachzuglotzen. Dafür ist das Album nämlich gerade so gut geeignet wie auch jedes bisherige Superchunk-Album. Wer jung ist, mag sich vielleicht nach einem milden Alter in ferner Zukunft voll unbekannter Freuden sehnen. Wem es dagegen beschieden ist, bereits alt zu sein, dem sei neidlos gegönnt, ein wenig zu schwelgen, vielleicht in den Erinnerungen an die alte Zeit, in der man auch schon Superchunk gehört hat. Oder irgendwas anderes, sagen wir mal Reagan Youth, das würde gut passen.

Deren verwickelter und bizarrer, bis heute andauernder Bandgeschichte wird auf dem Album, ­neben dem ganzen anderen Elend, ebenfalls Aufmerksamkeit zuteil.

»What a Time to Be Alive« ist auch der Titel eines Nummer-eins-Albums der Rapper Future und Drake, das eher den Status quo zu feiern scheint. Superchunk entlehnen den Titel, nur dass ihr »What a Time to Be Alive« kein Nummer-eins-Album werden wird.

 

Superchunk: What a Time to Be Alive (Merge Records)