Viel war auf der Transmediale kritisch gemeint, Streit fand aber kaum statt

Nicken und Klicken

Seite 2 – Das Verschwinden des Geldes und die die Sinnlichkeit des emanzipatorischen Spiels mit Maschinen

 

Ein Panel diskutiert »Valuation and Non-Monetary Utopias«. Hier wird das Verschwinden des Geldes zugunsten unmittelbarer, nicht preisvermittelter Tauschverhältnisse prognostiziert, die die Utopie in der Digitalisierung durch Techniken des sharing keimen lässt. Im Einwand darauf wird die wärmende, auch spielerisch-emotionale Dimension des Geldes betont. Entzieht sich dem einen der Zusammenhang von Geld und Kapital, subtrahiert die Antwort noch den von Warenform und Denkform in Rekurs auf Anthropologie.

Spielend wird hier Gesellschaft naturalisiert, obgleich zu Beginn der Konferenz doch sehr genau denunziert wurde, wie sich Geld als Medium des gesellschaftlichen Zwangszusammenhanges setzt. »Face value«, Nominalwert, bare Münze – die Bedeutung des Titels der diesjährigen Transmediale changiert; zwischen seiner ökonomischen Definition und Gertrude Steins poetischem Verweis auf den Universalienstreit, dem Ausdruck fortschreitender Quantifizierung und Evidenz per se. Nur wenige wenden die janusköpfige Münze, deren Rückseite den Souverän zeigt, der die Geltung des Nominalwerts zu garantieren hat: etwa diejenigen, die der Ware Bitcoin den Geldcharakter absprechen, den staatlichen Akteuren noch globale Relevanz beimessen.

 

Die Omnipräsenz von kritischen Beiträgen bei vollständiger Abwesenheit von Streit und Kontroverse und die Koexistenz von bodenlosem Quatsch und wohlformulierter Kritik blieben das irritierende Moment der ganzen Veranstaltung.

 

Allen Beiträgen zugrunde liegt die durch die Digitalisierung dynamisierte financialization der Ökonomie. Den Vortragenden schien die wechselseitige Abhängigkeit von »Real-« und »Finanzwirtschaft«, entgegen der geläufigen ideologischen Entgegensetzung von produktiver und unproduktiver Arbeit, zumindest aufzuschimmern. Unter dem zweiten Schlagwort des racial capitalism, dessen Konzeption die ursprüngliche Akkumulation als koloniale Unterwerfung within beschreibt, die im Kolonialismus zu sich käme, trat die Entgegensetzung aber wieder hervor. Sie lädt dazu ein, bei aller richtigen Kritik an falscher Universalisierung der Tauschsubjekte, die Charaktermasken zu rassifizieren, die so wieder »ehrliche« und »unehrliche« Arbeit verkörpern können. So traten in den Beiträgen motivisch etwa die weißen Programmierer des Silicon Valley den »postkolonialen Körpern« der Flüchtenden gegenüber, die in die Aufspaltung in unmenschlich-abstraktes Prinzip (böse, quasi artificial intelligence) und authentischen Menschen zu münden droht.

Erst gegen Ende wird noch einmal herausgestellt, dass Maschinen nicht lernen und denken können, sondern einfach mit immer unüberschaubareren Datenmengen gefüttert werden. Auf die veränderten, auch versteckten Arbeitsverhältnisse, denen diese Produktionsprozesse zugrunde liegen, sei in der Kritik zu achten. Die Omnipräsenz von kritischen Beiträgen bei vollständiger Abwesenheit von Streit und Kontroverse und die Koexistenz von bodenlosem Quatsch und wohlformulierter Kritik blieben das irritierende Moment der ganzen Veranstaltung. Ein Urteil darüber, was die Transmediale war, müsste den inneren Zusammenhang dieser Widersprüche darlegen.

Um etwas über die Sinnlichkeit des emanzipatorischen Spiels mit Maschinen zu erfahren, in dem sich utopischer Gehalt verbirgt, muss man den Ort wechseln, um der freien Improvisation von Roscoe Mitchell und George Lewis auf dem parallel veranstalteten Musikfestival CTM zuzuhören. Beide sind Mitglieder der Association for the Advancement of Creative Musicians (AACM). Lewis begründet seinen Umgang mit Maschinen in einem hervorragenden Vortrag am darauffolgenden Tag aus der Erfahrung der amerikanischen Sklaven, die für ihre Besitzer auf unheimliche Weise artificial intelligence gewesen zu sein: Waren und Maschinen, doch zugleich auch denkende und fühlende Menschen. Bei Lewis, der seit 30 Jahren mit dem Programm Voyager ein Instrument entwickelt hat, das Improvi­sationen generiert und ausspielt (hier in Verknüpfung mit einem Flügel), gilt es, ihm genauso wie seinem Mitmusiker aufmerksam zuzuhören, um sich auf die Unergründlichkeit des Spiels einzulassen. Während eines Solos der Maschine verlässt er lächelnd die Bühne, um ihr vom Zuschauerraum aus zuzuhören.