Der Irak-Krieg begann vor 15 Jahren, seine Auswirkungen sind weiterhin erheblich

Den Tyrannen beseitigen

15 Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins sind die Demokratisierungs­pläne der US-amerikanischen Neokonservativen komplett gescheitert. Die USA sind auf dem Rückzug aus der Region. Der Iran und andere Mächte gewinnen an Einfluss.

Am 30. Dezember 2006 wurde Saddam Hussein durch den Strang hingerichtet. Ein Video dokumentiert die Szene. Das Publikum in dem schmutzigen, dunklen Raum schien unruhig, es ging chaotisch zu. Der gestürzte Tyrann und ein Zuschauer tauschten Gehässigkeiten aus. Die Umstehenden beteten laut und priesen den schiitischen Kleriker und Milizenführer Muqtada ­al-­Sadr und dessen Familie. Noch während Saddam Hussein das islamische Glaubensbekenntnis rezitierte, öffnete sich die Falltür. Die wenigen Minuten ähnelten mehr einer improvisierten Tötung als einer staatlichen Hinrichtung.

Zum Zeitpunkt der Exekution, fast vier Jahre nach dem Sturz des Ba’ath-Regimes, war der Irak in einem konfessionalisierten Bürgerkrieg versunken. Schiitische, sunnitische und arabisch-nationalistische Milizen zogen mordend durchs Land.

Am 22. Februar 2006 hatten Unbekannte einen Anschlag auf die bedeutende schiitische Moschee in Samarra verübt und sie teilweise zerstört. In den nächsten Tagen wüteten schiitische und sunnitische Milizen. Mehr als ­tausend Menschen wurden ermordet – der Anschlag läutete die Hochphase des Bürgerkriegs ein. Die Jahre 2006 und 2007 wurden zu den blutigsten seit der Invasion – sie bewahrten diesen traurigen Spitzenplatz bis zur Aus­rufung des Kalifats durch den »Islamischen Staat« (IS) im Sommer 2014.

Der Sturz der Diktatur führte zu einer von den schiitischen Organisationen dominierten Herrschaft.

Der Sieg der Amerikaner und ihrer Alliierten über die irakische Armee und die Entmachtung von Saddams Regime erfolgte schnell. Nur 19 Tage dauerte es, bis im April 2003 die gewaltige Saddam-Statue am Firdos-Platz im Zentrum der Hauptstadt gestürzt wurde.

Ein triumphaler Erfolg der ­Operation »Iraqi Freedom« erschien den Verantwortlichen zum Greifen nahe. Die US-amerikanische Regierung hatte gehofft, mit der Demokratisierung des Irak eine Neuordnung des gesamten Nahen Ostens bewirken zu können – und den eigenen Einfluss in der strategisch bedeutsamen Region zu festigen. Doch es kam bekanntlich anders: Mittlerweile gilt der Irak-Krieg gemeinhin als Beispiel einer gescheiterten Militärintervention.

Das Projekt »Iraq Body Count« zählt seit dem amerikanischen Einmarsch mindestens 288 000 Kriegstote, rund 65 Prozent davon waren Zivilisten. Wahrscheinlich liegt die tatsächliche Zahl der Opfer noch höher. Zwischen 2003 und 2016 kam es im Irak nach Angaben der »Global Terrorism Data­base« zu rund 22 000 Terroranschlägen, 7 000 davon allein in Bagdad.

In den Diskussionen um den Krieg in Syrien wird der Irak von Gegnern ­einer US-amerikanischen Intervention als mahnendes Beispiel herangezogen: Seht her, was passiert, wenn ihr einen Despoten entmachtet! Barack Obama rechtfertigte mit der »Irak-Erfahrung« seine Zurückhaltung in Syrien. Doch der Irak ist nicht Syrien.

Als Bagdad fiel, war die einst totalitäre »Republik der Angst« nur noch ein Schatten ihrer selbst. Zwar ging sie nicht minder brutal und repressiv gegen die eigene Bevölkerung vor als ehedem, doch hatten Saddam Husseins desaströse Angriffskriege gegen den Iran (1980 bis 1988, rund 800 000 Tote) und Kuwait (1990/91) den Staat geschwächt. Die von den Vereinten Nationen ab 1990 verhängten Sanktionen taten ihr Übriges. Das Leid der Zivilbevölkerung war dabei keineswegs nur das Resultat der internationalen Strafmaßnahmen: Für die Errichtung Dutzender extravaganter Präsidentenpaläste hatte das ­Regime Milliarden übrig – nur eben nicht für seine Bevölkerung, beziehungsweise nicht für jene Bevölkerungsgruppen, die dem Regime als widerspenstig galten.