Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 50

Also sprach der Kleingärtner

Eine Kolumne wird 50.

Das Jahr 2019 hat viele Jubiläen – so wie jedes andere Jahr. Aber dieses Mal sind es besonders wichtige: 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland, vor 500 Jahren starb Leonardo da Vinci, Alexander von Humboldt wurde vor 250 Jahren geboren, seit 50 Jahren spricht man über die Mondlandung – so es sie denn gab –, vor 500 Jahren begann Ferdinand Magellan seine Weltumsegelung, mit der der Kolonialismus seinen Anfang nahm. Und dann die vielen runden und unrunden Geburtstage – Bruce Springsteen zum Beispiel wird 70. Jede Menge los also 2019. Da darf unsereiner nicht fehlen.

Jetzt endlich macht es klick. Die Leserinnen und Leser stehen auf und verneigen sich vor der großen Weitsicht des großen Kleingärtners in seinem großen Gartenkosmos: Dies ist die 50. Kolumne. Wer hätte das gedacht. Wie feiert man so etwas? Entweder druckt man die gedachten, aber nie ausgesprochenen Lobeshymnen der Leser auf die 49 großen Werke von unsereinem als Kleingärtner ab. Oder man sucht ein paar besonders prägnante wie langweilige Sätze aus den bisherigen Kolumnen heraus. Das wäre das probateste Mittel, um meiner Wichtigkeit und Eitelkeit – eines von beiden kommt selten allein – gerecht zu werden. Gerechtigkeit ist schließlich wichtig.

So sprach ich und so geschah es:

• »Das Scheitern ist integraler Bestandteil des Plans. Entweder teilt man sich die Zeit falsch ein (…) oder man wird vom Wetter überrascht.« (»Scheitern ist integraler Teil des Plans«, Teil 2)

• »Der Gegensatz zwischen positiv besetzter, angeblich unberührter Natur und negativ gesetzter Kulturlandschaft steckt tief im deutschen Gemüt. (…) Die Deutschen und die Natur – nein, sie sind kein kongeniales Paar und produzieren jede Menge unverrottbaren Mist. Das kann sich kein anständiger Kleingärtner antun, weil es abartig stinkt.« (»Die Deutschen und ihre Natur«, Teil 26)

• »Mir ist eine weitere Verwendung für meine Bohnenstangen eingefallen: Die AfD ist im Aufwind und sammelt den völkischen Mist. Aber sie hat nicht genug sympathisches Personal. Das ist die Chance für meine Bohnenstangen. (…) Sie sind sehr schlank, kommen aus deutschen Wäldern und würden mit ihren drei Metern im Parlament alle überragen. Als Besitzer würde ich die Tantiemen und Diäten kassieren. (…) Das wäre die perfekte jahreszeitlich angepasste Verwertung für meine Bohnenstangen: Von Mai bis Oktober an der frischen Luft und von November bis Ende April in der parlamentarischen Wärmestube. (…) Man müsste dieses Bohnenstangenabenteuer nur mit der Wunderformel von der ›Nachhaltigkeit‹ versehen. Da würden bestimmt einige der üblichen peinlichen NGOs aufspringen.« (»Bohnenstangen im Parlament«, Teil 12)

• »Wenn wir schon mal beim Klima sind: Das Wetter ist die größte Plage des Kleingärtners. Es macht, was es will. (…) Gut, so richtig be­legen lässt sich das nicht, denn das Wetter und das Klima sind grundverschiedene Dinge. (…) Aber es ist ein gutes Gefühl, wenn man das unpassende wie störende Wetter mit dem großen Thema Klimaschutz in Verbindung bringen kann. Unsere vermeintlich kleingeistige und kleinräumige Arbeit erhält dadurch eine weltpolitische Bedeutung. Aus dem Kleingärtner wird ein Stratege für den Klimaschutz. Ohne ihn droht der ökologische Kollaps. Was dieser Satz ­bedeutet, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Aber er hört sich bedeutungsschwanger an.« (»Klimaschutz und große Gefühle«, Teil 36)

• »All die ganzen Ökoaffen dürfen da reden, nur der kleine linke Gärtner nicht. (…) Während all die supernetten Ökos bei der Demonstration ›Wir haben Agrarindustrie satt‹ (…) singen – pardon: reden dürfen, bleibt unsereiner wieder außen vor. (…) Vielleicht habe ich nicht genug gegen die böse Agrarindustrie und fremde ›außerlandwirtschaftliche Investoren‹ gepöbelt (…). Ach, wenn man die Industrie als Feindbild nicht hätte, müsste man sie glatt erfinden.« (»Von Schlagern und Ökoaffen«, Teil 47)

Ich hätte natürlich der Redaktion einfach nur gratulieren können, welch einen tollen Hecht sie da geangelt hat. Das wäre kürzer gewesen. Genug des Rückblicks und zurück zur Gegenwart: Zum zweiten Mal hat ein Greifvogel eines meiner Hühner gerissen. Halb zerfetzt lag es im Gehege. Seitdem sind die drei verbliebenen traumatisiert und verkriechen sich in ihre Unterstände. Was habe ich geflucht über das Drecksvieh, das mein armes Federvieh ins Jenseits befördert hat. Was würde ich dafür geben, wenn Greifvögel vegan leben würden. Und hätte ich doch nur ein Schrotgewehr. Es ist wie im richtigen Leben: Vor den Eindringlingen und den Fremden zu Land und aus der Luft muss man sich schützen. Entweder mit einer Mauer à la Trump oder einem riesigen Wasserteich wie die mittelalterlichen Burggräben und heutzutage das Mittelmeer. Bevor ich mich in meiner Phantasie weiteren gewaltverherrlichenden Maßnahmen widme, werde ich im Gehege alle zwei Meter Bohnenstangen aufstellen, damit die widerlichen Greifvögel ein Landeproblem haben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass durch diese heimtückische Attacke nun 25 Prozent der Eier auf dem Markt fehlen.

Aus Gründen des Respekts, den auch ein zweibeiniges, eierlegendes Federvieh verdient hat, möge der Leser sich jetzt zu einer Gedenkminute erheben. Danke. Jetzt kann er sich wieder hinsetzen und seine Trauer verarbeiten.