In der Schweiz wollten sich Rechtspopulisten hörige Medien schaffen – und scheiterten

Die letzte Verkaufstour

Die Schweiz galt als Lehrbeispiel dafür, wie Rechts­populisten versuchen, unabhängige Medien unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch die rechtspopulistische Einflussnahme auf Schweizer Medien scheint am Ende zu sein.

Um als Milliardär in einer Demokratie Einfluss auf die Medien zu nehmen, gibt es drei Möglichkeiten: Man kann Aktien kaufen, Medienhäuser erwerben und das Personal auswechseln oder versuchen, auf den Gesetzgeber einzuwirken. Oder man kann alle Varianten zugleich anwenden, so wie das rechtspopulistische und -libertäre Geldgeber in den vergangenen Jahren in der Schweiz getan haben. Schauplatz war ein kleinteiliges Mediensystem, das wegen der sinkenden Werbeeinnahmen in die Krise geraten war. Einst renommierte Medien standen zum Kauf. 2002 übernahm der Tessiner Financier Tito Tettamanti den Verlag Jean Frey, zu dem die Zeitung Weltwoche gehörte. Diese wurde 2006 aus dem Verlag ausgegliedert und an den Journalisten Roger Köppel zum Vorzugspreis verkauft. »Man muss die Ideen säen, säen, säen«, sagt Tettamanti zu seinen Motiven in einer kürzlich über Köppel veröffentlichten Biographie. Dass Köppel Ideen gesät habe, wäre aber doch zu vornehm ausgedrückt. Er hetzte mit der Weltwoche gegen Ausländerinnen und Ausländer sowie Arme. Ob Richterinnen oder Professoren – wer seiner Weltsicht widersprach, wurde an den Pranger gestellt. 2015 wurde Köppel für die rechtspopulistische SVP ins Parlament gewählt.

Den Erfolg mit dem Wochenblatt wollte Christoph Blocher, der Übervater der Partei, bei einer Tageszeitung wiederholen. Auch wenn er es öffentlich lange leugnete, stand er ab 2010 hinter mehreren Veräußerungen der Basler Zeitung (BaZ). Als Chefredakteur wurde Markus Somm eingesetzt, damals Inlandchef bei der Weltwoche. Der Rechtsruck der Zeitung war nicht von wirtschaftlichem Erfolg gekrönt: Die Auflage der BaZ halbierte sich, letztlich musste sie Blocher an den Grosskonzern Tamedia verkaufen.

Der gravierendste Angriff auf einen Pressetitel erfolgte 2014 bei der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Weil Aktionäre jeweils nur maximal ein Prozent der Aktien besitzen dürfen, versuchten rechtsbürgerliche Kreise ihren Einfluß über den Verwaltungsrat der NZZ-Mediengruppe auszudehnen. Dieser nominierte Somm als neuen Chefredakteur, doch die Redaktion opponierte. Schließlich übernahm Eric Gujer die Leitung. Galt er anfänglich als Kandidat des Ausgleichs, rückte er die Zeitung rasch nach rechts, bevorzugtes Thema ist der angebliche »Genderwahn«.

Was für die NZZ als einzelnen Titel gilt, muss für die Mediensystem insgesamt festgestellt werden. Durch den vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Geldgebern und den Einfluss der Weltwoche auf die politische Debatte hat diese sich stark nach rechts verschoben. Immerhin scheiterte der Versuch, die Gesetze zu verändern. Der als »No-Billag-Initiative« bekannt gewordene Volksentscheid, durch den dem öffentlichen Radio und Fernsehen die Gebühren entzogen werden sollten, wurde 2018 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Dass die rechtspopulistische Umpolung der Medien am Ende angelangt sein dürfte, zeigt das Schicksal von Roger Köppel. Er ist derzeit im Wahlkampf auf Vortragsreise. Jedes Referat beginnt mit einer Medienschelte. Dann preist Köppel die Weltwoche als Stimme der Wahrheit. Man fragt sich als Zuhörer unweigerlich, ob man ­einem Vortrag beiwohnt oder nicht doch einer Verkaufstour für ein darbendes Blatt, das in den vergangenen Jahren nicht nur seinen guten Ruf, sondern auch viele Leserinnen und Leser verloren hat.