Die preisgekrönte Reportage

Todesjuni schockt Berlin

Selten wie nie haben Wetterphänomene die Weltöffentlichkeit so politisiert.
Kolumne Von

Andrea Spumante legt lachend seinen goldenen Füllfederhalter zur Seite, nachdem er seine Unterschrift geleistet hat – die Unterschrift, mit der er festlegt, wie das aktuelle Wetter offiziell genannt werden darf. Denn Spumante ist Chef des Internationalen Gewitterrats, des obersten Entscheidungsgremiums für die Klassifizierung von Unwettern, Stürmen und Hechtsuppe auf der ganzen Welt. Soeben hat er erklärt, dass das Wetter, das Berlin in den vergangenen Wochen heimgesucht hat, kein echter Weltuntergang, sondern lediglich sogenannter blitzbegleiteter Niesel war – und damit in der offiziellen Unwetterstatistik nicht auftauchen wird.

Ein Schlag ins Gesicht von Bruno Kretz, Mitglied der Kreuzberger Gewitterziegen e. V., einer Anwohnerinitiative, der sich vergangene Woche gegründet hat. Der Verein beobach­tet die Wetterentwicklung in Berlin seit Jahren mit Sorge. »Wir hatten alle sehr große Angst«, fasst er die Beobachtungen des Vereins zusammen. Selten wie nie haben Wetterphänomene die Weltöffentlichkeit politisiert. Greta Thunberg warnt vor den Folgen fossiler Energiewirtschaft, der Klimaforscher Steffen Olsen vor dem Abschmelzen der Polkappen. Nun aber werden auch Berliner Twitterer aus ihrer Lethargie gelockt – es muss nur laut genug donnern.

»Wir haben Sorge, dass es nun ein weiteres Gewitter in Berlin geben wird«, fasst Kretz die Haltung des Vereins zusammen. »Der Senat muss jetzt handeln, damit sich das niemals mehr wiederholen kann.« Der rührige Wetteraktivist fordert unter ­anderem ein sofortiges Grillverbot in Prenzlauer Berg und Dahlem, denn der Grill zieht bei Gewitter den Blitz förmlich an – brandgefährlich! Zunächst aber müsste der »Berliner Todesjuni«, wie die Gruppe die Wetterlage gerne nennen möchte, von internationalen Meteorologen anerkannt werden – und das kann dauern. »Professor Spumante verlangt von uns den Nachweis, dass wir mehr sind als ein Haufen wehleidiger Waschlappen, die ih­ren Regenschirm vergessen haben – das ist etwas, das wir mit den Mitteln unserer kleinen Initiative einfach nicht leisten können!«

Bis es so weit ist, will die Gruppe nun erstmal sämtliche Eiscafés bestreiken. Ob der Senat sich davon beeindrucken lässt, bleibt abzuwarten.