Die preisgekrönte Reportage

Undercover im Camp Brumm

Verfolgte Autofahrer organisieren sich.

Es ist das Jahr eins. Das Jahr, nachdem man dem deutschen Autofahrer, leidgeprüfte Melkkuh der Nation, flohverseuchter Sündenbock und pestbeulenübersäter Buhmann, endgültig das Genick gebrochen hat. Erst die Verfolgung unschuldiger Diesel-Besitzer, dann Greta Thunbergs Segeltörn in den Wahnsinn und schließlich der bizarre Mummenschanz der IAA – die weltweit erste Automobilmesse, zu der man nicht mehr mit dem Auto anreisen konnte. Zehntausende aufgehetzte Kommunisten hatten in den Straßen Jagd auf Bessermotorisierte gemacht.

»Ich wage kaum noch, auf die Straße zu gehen«, sagt Bertram G., Mitglied einer geheimen Zelle von Autobesitzern, die sich im Taunus organisiert haben. In mehrtägigen Seminaren lernen Aktivisten, das Klimpern eines Autoschlüssels 200 Meter gegen den Wind zu hören. In den großen Ökozitadellen Berlin, Hamburg und Frankfurt werden viele Bürger inzwischen routinemäßigen Tests unterzogen – Benzin kann noch zwei Wochen nach dem Betanken des Wagens in den Haarfolikeln seines Besitzters nachgewiesen werden. 

Beängstigend leer sind die Straßen – E-Roller-Staffeln machen rücksichtslos Jagd auf alles, was einen Führerschein hat. »Wir Autofahrer haben uns unseren Lebensstil nicht ausgesucht«, sagt G. »Manche von uns werden nun mal mit Benzin im Blut geboren.« In einem Wäldchen hinter Königstein haben Hessens letzte Autofahrer eine Wagenburg errichtet, in der sie ihrem Lebensstil frönen können: Camp Brumm. Sie fahren Kolonne, bilden Rettungsgassen oder schreien sich an simulierten »Tankstellen« an. Dort konsumieren sie Gerichte von »Heiße Hexe« und blättern in Fernfahrermagazinen. Die Strecken, die sie fahren können, sind begrenzt: vom Wegesrand einmal um den Baum direkt in den Graben. Dann kommt der »ADAC« – Bertram G.s SUV mit nachgerüsteter Seilwinde. »Erinnerungen an bessere Zeiten«, seufzt G.

Wie lange sie noch im Untergrund agieren können? Die Bewohner von »Camp Brumm« haben wenig Hoffnung für die Welt. »Erst, wenn der letzte SUV stillgelegt, der letzte Ersatzreifen recyclet ist, werdet ihr merken, dass Fahrräder keine Standheizung haben.«