#5 Homestory

Um den Überblick zu behalten, sind Kalender eine gute Möglichkeit. Aber für den Blick sind sie meist eine pure Beleidigung – wie der Wandkalender, der seit kurzem in einem Raum der Redaktion Ihrer Lieblingszeitung hängt. Grau in grau präsentieren sich die kommenden Monate bei diesem sogenannten Einsteckkalender, den einzigen Farbklecks stellt das rote Quadrat dar, das den entsprechenden Tag hervorhebt, wenn man es über eine Nummer schiebt. In einer Behörde würde sich dieser Wandbehang definitiv besser machen als in der Zentrale eines hippen Berliner Medienunternehmens.

An tristen Einrichtungsgegenständen, die eine Menge Inspiration für Françoise Sagan darstellen würden, mangelt es in den Redaktionsräumen auch sonst nicht. Ein nie gegossener gelb gewordener Kaktus wartet in einer Zimmerecke vergeblich auf Wasser. Da haben es die Plastikpflanzen im Nebenraum schon besser, obwohl die auch kein schöner Anblick sind. Statt nach exotischer Plastikkopie sehen die Fake-Pflanzen aus, als kämen ihre Vorbilder aus einem Moor. Authentisch sind sie: Die Halme eines Exemplars sind leicht gelblich, so wie der Kaktus. Da hat wohl jemand vergessen, das Plastik zu gießen oder, der Hersteller erlaubte sich einen Scherz.

Definitiv auf Platz eins des Rankings »Was ist am tristesten in der Jungle World« steht die Beleuchtung. Die Neonröhren an den Decken jedes Raumes versprühen zumeist den Charme eines mediterranen Männercafés. Im Süden dient das kühle Licht dazu, Insekten fernzuhalten, doch Stechmücken sind in Berliner Büroräumen kein Problem, dafür aber schmerzende Augen, sobald man in die Röhre schaut.
Vielleicht ist es aber auch mit dem ungemütlichen Licht bald vorbei, nicht nur weil es wieder länger hell ist, sondern auch weil zumindest ein Büroraum demnächst ein Make over bekommt. Tine Wittler wird zur Renovierung nicht erwartet, es wird aber bestimmt trotzdem schön, vor allem für den Nachwuchs, für den der alte Teppich rausgerissen und die vom Rauch gelblichen Wände weiß gestrichen werden.