Homestory

Homestory #22

An einem sonnigen Nachmittag in der vorigen Woche traten sechs Redakteurinnen und Redakteure Ihrer Lieblingszeitung einen Betriebsausflug der besonderen Art an: zum gemeinsamen Impftermin in Berlin-Mitte.

So spannend wie der jährliche gemeinsame Sommerurlaub, der dieses Jahr wegen der Covid-19-Pandemie wohl erneut ausfallen wird, war dies zwar bei Weitem nicht. Doch weil viele der Impfwilligen einander sehr lange nicht oder überhaupt noch nie gesehen hatten, konnte man sich bei dieser Gelegenheit freudig vergegenwärtigen, welche Gesichter eigentlich zu den Stimmen gehörten, die man sonst mehrmals wöchentlich nur auf den Telefonkonferenzen vernahm. Wirkten doch alle ganz sympathisch!

Den »Shot«, wie ein Redakteur zu sagen pflegt, empfingen alle problemlos. Allerdings erfüllte sich die Hoffnung, von Nebenwirkungen oder, wie man korrekter sagen sollte, Impfreaktionen verschont zu bleiben, nur für einen einzigen der Geimpften, der wohl in dieser Hinsicht von seinem Alter profitierte. Für alle Redaktionsmitglieder unter 40 Jahren hingegen ging es bei Leibe nicht so gut aus. Da half auch der Gedanke nur wenig, dass eine starke Impfreaktion oft auf ein stabiles Immunsystem hindeutet, das viele Antikörper produziert und somit einen effektiven Schutz gegen Sars-CoV-2 aufbaut. Immerhin sei das ein Beweis dafür, dass in der Ampulle auch wirklich etwas Wirksames drin war, versuchte sich ein Kollege zu trösten.

In der gemeinsamen Messenger-Gruppe klagten die Geimpften einander ihr Leid. Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und Fieber wurden synchron durchgemacht. Das Gefühl der Isolation, das Kranke sonst für gewöhnlich befällt, konnte sich daher nicht ganz einstellen – denn auch wenn man es ihnen nicht wünschte, war es doch ein wenig beruhigend, dass sich ein paar Leidensgenossinnen und -genossen mit nahezu gleicher Symptomatik über Berlin verstreut in ihren Betten wälzten, Tee tranken und die Stunden zählten, bis sie wieder einen klaren Gedanken würden fassen können.

Sehr viel Zeit blieb auch gar nicht, um sich selbst zu bemitleiden. Bis auf einen Kollegen, der sich immer noch »matschig im Kopf« fühlte, ging es nach etwa 24 Stunden allen schon erheblich besser. Einer der Geimpften kann retrospektiv sogar dem Fieber etwas ­abgewinnen, das er als Übergangsritus zur Normalität bestimmt: Sei er während der Pandemie von ganz profanen Erkältungen größtenteils verschont geblieben, werde er sich bald wieder an sie gewöhnen müssen.