Drangsal zitiert auf dem Album »Exit Strategy« aus vergangenen Pop-Epochen

Ewige Identitätsverweigerung

Kolumne Von

Natürlich hat auch Drangsal alias Max Gruber einen Podcast: Denn das Flüchtige, Unverbindliche einer inszenierten Gesprächssituation, das – zumindest in diesem Fall – achselzuckend, aber hochprofessionell kilometerweit auf Plakatwänden beworben wird, passt zu seiner Musik. Denn auch in ihr möchte er sich gerne flüchtig, unverbindlich, jedenfalls auf keinen Fall authentisch geben, wobei der ganzen Zerrissenheit immer etwas Kalkuliertes anhaftet. Auch auf seinem neuen Album klingt er wieder hochprofessionell unsicher. Mit Smiths-Sound und viel zu viel Hall auf dem Debütalbum sowie einem Auftritt von Jenny Elvers im Musikvideo zu »Allan Allign« wurde er 2016 bekannt und gleich mit der Verleihung des Preises für Popkultur zum »hoffnungsvollsten Newcomer« gekürt, ging dann 2018 auf dem Album »Zores« den Weg konsequent rückwärts weiter, noch tiefer in die achtziger Jahre und näher an die großen Wave- und Post-Punk-Vorbilder, was er in jedem Interview unumwunden zugab. Der Sound wurde zugänglicher, die Texte wurden deutscher, Hits wurden geboren. Als nächstes kommt nun »Exit Strategy«, und geblieben ist neben dem weiterhin stilsicher abgestimmten Retrosound und einer leicht süßlichen Endreimromantik vor allem die ewige Identitätsverweigerung: »Ich weiß doch gar nicht, wer ich bin«, ruft er uns gleich im Eröffnungslied »Escape Fantasy« entgegen. Die ostentative Inszenierung von Unsicherheit, die Feier jugendlicher Verwirrung in neoromantischer Sprache und Klangfarbe wäre vor etwa 20 Jahren sicherlich aufregender gewesen. So reiht sich das Album eher ein in die nicht abreißende Wiederholungsschleife der Sounds und Gesten: »Wo sind wir hin?/Dürfen wir nochmal zurück?« ist nicht nur Textzeile, sondern auch klangästhetisches Programm des Albums. Lieber nochmal die Vergangenheit durch­leben, wenn die Gegenwart so aussieht, wie sie eben gerade aussieht. Doch das Rezept funktioniert, die Resignation ist sogar tanzbar. Und schön ist dann auch, wie sich hier auf »Feuertaufen« noch »Komasaufen« reimen darf.

Drangsal: Exit Strategy (­Virgin Music Artist&Label Services)