Imprint: »Rendezvous in Manhattan« erzählt vom Schicksal einer jungen Arbeiterin in New York

Rendezvous in Manhattan

In New York City ist es heiß: In den frühen vierziger Jahren schuftet die Arbeiterin Edna im Sommer in einer Fabrik in Manhattan. Von dem Geld leistet sie sich einen Urlaub, in dem sie Ray kennenlernt, mit dem sie eine wilde Liebesbeziehung anfängt. Grete Hartwig-Manschinger erzählt in »Rendezvous in Manhattan« über das proletarische Leben in der Metropole und den Beginn des Zweiten Weltkriegs in den USA.

I.
Als die Nacht über Manhattan herunter sank, brachte auch sie keine Kühlung. Da lag die langgestreckte Insel mit ihrem Häusermeer, aus dessen Poren die tagsüber aufgespeicherte Hitze ungebrochen strömte. Nicht einmal an den Ufern der sie einsäumenden Gewässer konnten die erschöpften Menschen Linderung finden. Zu hunderttausenden flüchteten sie wohl an den Hudson, den East River, den Harlem-Fluß und den Hafen, dankbar für die geringste Brise, die über die feuchten Körper strich. In den Wohnungen war es unerträglich in solcher Sommernacht. Und doch mußte man schließlich nach Hause gehen, denn der normale New Yorker mußte ja in der Früh in die Arbeit. Sogar die Liebespaare, die auf dem Strande von Coney Island promenierten, mußten einmal nach Hause.

Männer spielten Karten, Burschen trainierten für Baseball, junge Mädchen drehten sich die Locken, Halbwüchsige horchten auf biologische Geheimnisse, Schul­kinder machten Aufgaben, Mütter stillten ihre Säuglinge, all das inmitten von Geschrei, Streit, Gelächter, Flirt und Kameraderie.

In den Straßen saßen die Leute auf den Stufen der Häuser, auf den Feuerleitern, im offenen Hausflur, auf den Fensterbrettern. In dem Proletarierviertel um die Mercer Street spielte sich in solchen Tagen und Nächten das ganze Privatleben auf der Straße ab. Männer spielten Karten, Burschen trainierten für Baseball, junge Mädchen drehten sich die Locken, Halbwüchsige horchten auf biologische Geheimnisse, Schulkinder machten Aufgaben, Mütter stillten ihre Säuglinge, all das inmitten von Geschrei, Streit, Gelächter, Flirt und Kameraderie. Nicht vor Mitternacht wurde die Straße leer. Auch dann bot sich durch die offenen beleuchteten Fenster das Privatleben dar. Dazu brüllten die Radioapparate, wurden Ehekämpfe ausgetragen, die nächste Generation erzogen und dem gedrängten Beisammensein allerhand Ventile geöffnet. Endlich wurde es ruhig; auch in der Scarlatti-Wohnung.

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