Ein fiktives Interview mit Jakob Augstein

Der Dirk Rossmann des Literatur-Business

Jakob Augstein veröffentlicht seinen ersten Roman.
Die preisgekrönte Reportage Von

Knarzend lehnt sich Jakob Augstein in seinem Eames Chair zurück. »Ein Roman ist streng genommen nur eine Art Kolumne. Man tauscht die echten Namen gegen erfundene aus, legt die eigenen Meinungen den Figuren in den Mund, fügt dann noch ein bisschen Landschaftsbeschreibung dazu – fertig.« Augstein erhebt sich, streicht nachdenklich über sein ­Adressbuch. »Dann muss man ein bisschen Druck bei den Kulturredaktionen machen, damit das Teil auch besprochen wird, aber das ist mir zweite Natur. Als Medienmensch sehe ich das ohnehin etwas pragmatischer.«

Es ist nicht ungewöhnlich, dass prominente Journalisten derzeit verstärkt auch als Romanautoren firmieren: Die Verlage nehmen derzeit alles unter Vertrag, was bei Twitter ein paar Tausend Follower hat und zwei gerade Sätze schreiben kann. Dennoch: Mit Augstein, der mit Thesen von der Macht Jerusalems über die Berliner Politik schon für ­Furore sorgte, hat sich der Literaturbetrieb einen besonders aufregenden Kandidaten ins Boot geholt.

Protagonist des Romans ist der mittelalte, aber immer noch feurige Verlagserbe Ganter Tabubruch, der nach einem Shitstorm auf Twitter erst mal ein Sabbatical einlegt. Zusammen mit seiner Schwester reist er nach Mallorca, um sich unter der Betreuung ausgewählter Therapeuten eine neue Persönlichkeit auf den Leib schneidern zu lassen. Doch da kommt die Nachricht von einem Aufstand der Mitarbeiterversammlung – und einer raffinierten Fälschungsaffäre … »Ich möchte der Dirk Rossmann des Literatur-Business werden«, sagte Augstein bei »Titel, Thesen, Temperamente«. »Nur ohne diesen ganzen Ökomist. Bei mir geht es ­darum, wie Amerika allmählich die ganze Welt terrorisiert. Damit kann sich wohl wirklich jeder identifizieren!« Angeblich konnte Augstein schon der Constantin die Filmrechte aufzwingen; alle Spiegel-Abonnenten kriegen das Buch kommende Woche per Einschreiben unaufgefordert zugesandt. »Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie in eine spannende Romanhandlung verpackt«, sagt Augstein, sichtlich von sich selbst gerührt.

 

Aus der Urteilsbegründung: Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.