Eine kleine Kulturgeschichte der Ohrfeige

Da setzt es was

Die Ohrfeige feiert ein Comeback. Ende März mussten sowohl Oliver Pocher als auch Chris Rock eine Schelle einstecken. Die Ohrfeige ist aber kein reiner Gewaltakt, sie zeigt nicht nur ihre Mäßigung, sondern auch die Transgression der Geschlechterdichotomie.

Liest man in deutschsprachigen Zeitungen nach, dann ist sowohl die Ohrfeige für Oliver Pocher am Rande eines Boxkampfs als auch die Schelle, die sich Chris Rock wegen eines Witzes über Will Smiths Frau Jada Pinkett bei der Verleihung der Academy Awards einfing, entweder Ausdruck der »Vorschulhofisierung der Öffentlichkeit« (Arno Frank) oder aber das letzte Zucken des Patriarchats, welches zu einem »Auslaufmodell« geworden sei (Berit Dießelkämper). Beides ist falsch. Dennoch ist die Debatte interessant, da sie einerseits ein naives Verständnis von Gewalt offenbart und andererseits die Unzulänglichkeit manch gendertheoretischer Vorstellungen von Gewalt.

Die Ohrfeige ist zunächst einmal ein kulturelles Phänomen. Schon vor der Ohrfeige für Pocher am 26. März und der für Rock am Tag darauf gab es berühmt gewordene Schellen. Bud Spencer und Terence Hill ohrfeigten allerlei Gegner, Asterix und Obelix nutzen sie neben anderen Schlägen gegen die Römer, aber auch die Ohrfeige, die die Nazijägerin Beate Klarsfeld 1968 dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger verpasste, ist noch im öffentlichen Gedächtnis.

Die Machtverhältnisse bei einer Ohrfeige sind nicht immer klar: Wer eine Ohrfeige austeilt, will damit meist gar nicht seine Macht ausdrücken, sondern fühlt sich in seiner vermeintlichen Machtposition gerade in Frage gestellt.

Die Geschichte der Ohrfeige ist lang und komplex. Das Lukasevangelium enthält beispielsweise die Geschichte, in welcher Jesus nach einer Ohrfeige auch noch die andere Wange hinhält. Damit verweigerte er sich dem Prinzip »Auge um Auge«, welches sich prominent in den Büchern Mose findet.

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