Altbau

"Ich bin Otto-Normal-Bürger", sagt Björn und ruckelt ein wenig mit dem rotbespannten Korbsessel, "ich zahle meine Steuern." Er lebt in Lübecks Villenviertel, Altbau. Vier Jahre war es totenstill um ihn. Doch 1997 fühlt sich Engholm vitaler denn je. "Ich habe sechs Pfund zugenommen - da sieht man besser aus, aber ist unglücklicher."

Ein glückliches Händchen beweist er heute als Vorsitzender des Wirtschaftskreises "Pro Baltica" und als Kurator für Bildende Kunst der St.-Petri-Kirche zu Lübeck. Sonst viel Entspannung, mal ein gutes Buch. Er sei "innerlich zur Ruhe gekommen", flüstert Engholm beinahe, habe "viel gelesen, Musik gehört", seine "kleine Bildersammlung" sortiert. Leise Mozartklänge liegen quer im Raum. Er nippt am Riesling, das Glas beschlagen. Um den Pfeifenmund weht ein Hauch von Bitterkeit. Langes Nachdenken, dann erinnert Engholm sich: "Ich mußte selbst Auto fahren, die Fahrkarte bei der Bundesbahn lösen, die Flüge buchen. Und dann habe ich gemerkt: Die Bodenhaftung kommt schnell." Engholm (57) kniet auf dem Flokati und legt seine INXS-CD auf. Hämmernde Rock-Musik. Er kann auch zornig. "Wer raus ist, ist raus", meint er jetzt ohne einen Anflug von Illusion, "ich bin nie ein guter Parteiarbeiter gewesen, ich war vielleicht zu sensibel dafür". Ein tiefer Schluck aus der Riesling-Flasche. Sichtliche Erregung. "Machtinstinkt", lügt Engholm jetzt wie gedruckt, "ist mir nicht sehr geläufig." Gott sei Dank, fügt er gleich hinzu: "Einen Rückmarsch in die parteiliche Politik wird es für mich nicht geben." (Bild, 5.7.1997)