Manuel Pérez Martinez zur politischen Situation in Kolumbien

»Diese Wahlen werden den Konflikt eskalieren«

Der ehemalige Pfarrer Manuel Pérez Mart'nez ist politischer Verantwortlicher der 1964 gegründeten Guerilla-Organisation ELN (Nationales Befreiungsheer), die sich vor allem auf den Guevarismus positiv bezieht. Pérez' Organisation ist zur Zeit mit ungefähr 5 000 Guerilleros fast im ganzen Land präsent.

Verteidigungsminister Echeverry hat den Vorschlag gemacht, eine ständige Friedenskommission einzurichten. Was denkt die ELN darüber?

Wenn den Ursachen für den bewaffneten Konflikt nachgegangen werden soll, fänden wir das gut. Aber Echeverry ist nicht besonders glaubwürdig, nicht nur, weil er Verteidigungsminister ist, sondern auch, weil er schon häufiger ungenaue Vorschläge gemacht hat. Wir würden lieber über Vorschläge unabhängiger Kommissionen reden.

Würde die ELN auch getrennt von anderen Organisationen verhandeln? Man kann über den desolaten Zustand der CGSB (Dachorganisation der Guerillaverbände von FARC, ELN und EPL) im Moment ja nicht hinwegsehen.

Auf keinen Fall. Dabei geht es gar nicht nur um die CGSB, sondern um Verhandlungen, an denen alle gesellschaftlichen Kräfte teilnehmen können.

Auch die Paramilitärs?

Wir sind bereit, mit allen vom Staat offiziell benannten Vertretern zu reden. Wenn die Regierung Paramilitärs zu Verhandlungsführern macht, ist das ihre Sache. Aber dafür muß sie öffentlich anerkennen, daß diese Terrorgruppen Bestandteil des Staates sind.

Der Paramilitarismus breitet sich weiter aus. Was kann dagegen unternommen werden?

Die internationale Öffentlichkeit muß die Menschenrechtssituation in Kolumbien stärker beobachten.
Wir klären über den Paramilitarismus auf und greifen ihn auch direkt an, glauben aber nicht, daß es richtig ist, alle Paramilitärs zu Feinden zu erklären. Sie sind fest verankert, eine solche Auseinandersetzung würde auf ein offenes Gemetzel hinauslaufen. Das müssen wir um jeden Preis vermeiden.

Was hat die ELN bisher unternommen, um die Paramilitärs zu stoppen?

Wir beschränken uns nicht darauf, den Paramilitarimus öffentlich zu machen, wir greifen ihn auch direkt an. Diese Gruppen werden von der Armee aufgebaut, sie sind ihre verdeckte Aktionsform. Deswegen können wir nicht behaupten, den Paramilitarismus zerschlagen zu können. Dafür müßten wir die Armee selbst zerstören.
Der paramilitärische Terror ist Teil der Aufstandsbekämpfung, ein Werkzeug, aber auch ein Eingeständnis, daß die Armee die Rebellion nicht mehr stoppen kann. Sie geht dazu über, alle Formen des sozialen Protests zu illegalisieren. Viele Paramilitärs sind auch Armeeangehörige. In Gefechten mit ihnen wurden Armeewaffen erbeutet und Militärausweise gefunden. Auch gibt es zahlreiche Untersuchungen von internationalen Menschenrechtsorganisationen und die Aussagen gegen den Offizier D'az.

Die Paramilitärs entführen mittlerweile Angehörige von Guerilleros. Sie betrachten das als Antwort auf Entführungen von seiten der Guerilla.

Wir halten Leute fest, die ihre Reichtümer mit der Ausbeutung der Bevölkerung erworben haben. Das heißt, wir holen zu einem kleinen Teil das zurück, was den Armen vorher geraubt worden ist, und verwenden es für die nationale Befreiung Kolumbiens.
Wir wollen gerne über die "Entführungen" reden. Nur muß dann über alle gewalttätig Festgehaltenen geredet werden, auch über die Gefangenen in den staatlichen Gefängnissen.

Bald finden Wahlen statt. Die Paramilitärs haben angekündigt, daß sie keine linken Kandidaten dulden werden. Auch die FARC wollen in ihren Einflußgebieten die Kandidatur von "Parteibonzen" unterbinden.

Ein "Nationaler Notstand für die Demokratie" müßte verhängt werden. Die Wahlen müssen aufgeschoben werden, weil aufgrund der Polarisierung in Kolumbien keine Voraussetzungen für sie bestehen. Der Schutz für Kandidaten, Programme und Wähler muß garantiert sein. Ansonsten sind diese Wahlen eine Farce. Wir befürchten, daß es zu einer nie dagewesenen Gewaltspirale kommen wird, zu einer Eskalation des Konflikts in jeder Hinsicht.

Das vollständige Interview von Manuel Roa findet sich im wöchentlich aktualisierten Informationsdienst Colombia Popular. www.berlinet.de