Gerhard Schröder!

Daß Sie sich für einige kurze Momente in Ihr Kämmerlein zurückgezogen haben, um sich in stummer Wut in die Fingerknöchel zu beißen, das kann ich sehr gut verstehen, auch wenn dem Vernehmen nach Ihrer Gattin Hiltrud dergleichen nie gelungen ist. Was ist schon ärgerlicher, als wenn ein Mann meint, mit einem kleinen Schritt seiner selbst einen großen Schritt für die Sozialdemokratie getan zu haben, und dann erblickt er am Ziel einen stacheligen Rücken und vernimmt ein höhnisches "Ich bin schon allhier!"? Auf solche Weise, darin sind wir uns einig, lieber Gerhard, läßt sich nicht rennen: Ein fairer Gegner duckt sich am Ziel hinter die nächste Hecke und läßt dem Kontrahenten freundlich den Vortritt!

Das hat der Bundeskanzler so gemacht, der ihre Ausländer-raus-Sprüche "Wortblasen" gescholten hat, und auch Waigels "Verlogenheit" dürfte ihnen ins Kalkül gepaßt haben. Aber der Stoiber Ede, der alte Sauhund! Eine Gesetzesinitiative will er jetzt aus dem machen, was sie so einfach hingesagt haben, um ein paar Stimmen bei den Republikanern abzugreifen! Und "eine breite Zustimmung der SPD-regierten Länder" erwartet er dazu auch noch. Man kann sich vorstellen, was in dem Stoiber-Antrag drinstehen wird: Weniger Sozialarbeit mit Jugendlichen, dafür härtere Strafen, Grenzen zu nach Osteuropa, noch eine Strafrechtsverschärfung für Ausländer, Knast für Ladendiebstahl und dergleichen reaktionäres Zeug mehr.

Ist man dazu gemeinsam für den Flugzeugbau und die Automobilindustrie in die Bütt gestiegen, daß einen der andere ganz einfach beim Wort nimmt? Nein, Sie haben recht, Schröder, das ist kein Umgang unter Männern.

Aber trotzdem würde ich Ihnen empfehlen, jetzt wieder aus der Besenkammer zu kommen; schließlich wollen Sie ja einmal ein richtiger Bundeskanzler werden, so wie der Strauß einer geworden wäre, und da können Sie sich dann auch nicht mehr einfach einsperren. Heraus also, und dem alten Stammtischbruder frohen Mutes entgegengetreten! Flink nachgeblättert beim Urvater Franz-Josef, wie man den Tigerberg erobert! Und dann hinein ins Gewühl: Auch wenn er sich im Volk bewegt wie der Fisch im Wasser, hat doch der Bayer seine schwachen Stellen. Wenn er zum Beispiel das nächste mal dem Waigel eins überbraten will, weil ihm die Politik der Bundesregierung zu unsozial ist, dann machen Sie doch, vor er sich's versieht, einen Gesetzesantrag daraus! Fordern sie zwei Kruzifixe in jedem Klassenzimmer! Fordern Sie: Deutschland raus aus der EU, dafür Sudetenland heim ins Reich! Eine kleine Trainingsstunde in Sachen Populismus kann schließlich auch einem Virtuosen wie Stoiber nicht schaden.

Und danach beim Schwanzvergleich könnten sie sich dann gestehen, daß Sie ihre ganzen Sprüche so gar nicht gemeint haben, sondern ganz im Gegenteil: im vollen Ernst.