Burn, geräumtes Haus, burn

Erhöhte Brandgefahr in Friedrichshain: Nach der Räumung kommt der Benzinkanister zum Einsatz

Erhöhte Brandgefahr hatten die Meteorologen eigentlich nur für das Berliner Umland gemeldet. Doch dann brannte es vergangenen Donnerstag mitten in der Stadt. Im derzeit wohl heißesten Hauptstadtbezirk Friedrichshain stand innerhalb von gerade fünf Wochen schon das zweite ehemals besetzte Haus in Flammen. Um 2.17 Uhr erhielt die Feuerwehr den ersten Notruf: Der Dachstuhl des fünfstockigen Hauses Scharnweberstraße 28 stand in Flammen. Bis die rund hundert Feuerwehrleute den Brand morgens um vier Uhr unter Kontrolle hatten, waren das komplette Dach und die beiden darunterliegenden Stockwerke ausgebrannt.

Keine vier Wochen zuvor: Fünf Hundertschaften Polizei räumen am Morgen des 29. Juli vier besetzte Häuser - darunter das in der Scharnweber/Ecke Colbestraße. Danach verriegeln sie die Türen und Fenster mit Sicherheitsplatten - mit dem Ziel, Neubesetzungen zu verhindern. In der Scharnweberstraße aber erschwerten die Platten nicht etwaigen neuen Besetzern den Zugang zum Haus, sondern den Feuerwehrleuten: Nur deshalb hätten die Flammen nicht früher gelöscht werden können, erklärte ein Sprecher des Feuerwehr-Lagedienstes.

Das Brandkommissariat beim Berliner Landeskriminalamt ermittelt nun wegen Brandstiftung "in alle Richtungen". Anhaltspunkte für einen politischen Hintergrund, so eine Sprecherin, gebe es nicht. Dennoch: Vorläufig festgenommen wurde noch in derselben Nacht nur ein ehemaliger Bewohner des Hauses. Über mögliche Motive des Hausbesitzers wolle man nicht spekulieren, hieß es bei der Kripo.

Dabei brennt es in dem 1990 besetzten Haus nicht zum ersten Mal. Bereits am 5. Februar stand der Dachstuhl in Flammen. Am nächsten Morgen fand die Polizei eine zusammengerollte Matratze sowie mehrere Knäuel angebrannter Schnur auf dem Dachboden - und vermutete den Brandstifter nicht unter den Hausbewohnern.

Kurz zuvor hatten die Besetzer das baupolizeiliche O.k. für Sanierungsarbeiten erhalten. Der Eigentümer mußte eine Schlappe einstecken: Sein Abrißantrag und das damit verbundene Räumungsbegehren wurden vom Friedrichshainer Bezirksamt abgelehnt. Nach dem Brand im Februar machten sich die Bewohner sofort an die Reparaturarbeiten. Parallel dazu erarbeiteten sie mit dem Sanierungsträger LIST ein Sanierungskonzept, zu dem der Eigentümer keine Stellungnahme abgeben wollte.

In der Zwischenzeit verschärfte der Innensenat unter Leitung von Jörg Schönbohm seinen Kurs gegen die verbliebenen besetzten Häuser. Schönbohm bestand darauf, mögliche Vertragsabschlüsse gar nicht erst zustande kommen zu lassen, um die Grundlage für seine Räumungen nicht zu gefährden.

Zwei Monate später brennt es in der Scharnweberstraße 28 erneut, diesmal im Keller. Der Schwelbrand wird von der Feuerwehr gelöscht, anschließend zerstört die Polizei die Einrichtung der im Erdgeschoß gelegenen Kneipe SEK. Danach dasselbe Spiel wie zuvor auf dem Dachboden: Die Räume werden wieder instandgesetzt, die Kneipe neu eröffnet - ehe mit der Räumung am 29. Juli das endgültige Aus für die Besetzer kommt.

Bereits am Morgen des 16. Juli brannte es auf den Dachstühlen des früher besetzten Hauses Rigaer Straße 84 und der Proskauer Straße 10 in Friedrichshain. Obwohl die Bewohner Mietverträge hatten, sperrte ihnen die Polizei nach dem Brand den Zugang zum Haus. Wie in der Scharnweberstraße hatte der Besitzer erfolglos versucht, die Mieter aus dem Haus zu klagen. Erst kurz vor dem Brand verlor die für das Haus zuständige Hausverwaltungsgesellschaft (HVG) einen Prozeß gegen die Mieter. Und noch einen Tag vor dem Brand wollen Hausbewohner Manfred Leubert, einen von der Firma beauftragten Bauunternehmer, auf dem Dach der Proskauer Straße 10 gesehen haben. Ein Brand mit Ankündigung: Die Palette von unbegründeten Kündigungen, abgestelltem Strom und Gas und abgebrochenen Baumaßnahmen mündete in der Drohung Leuberts: "Paßt auf, sonst lege ich oben Feuer." Nachdem der Dachstuhl abgebrannt war, setzte die HVG das Gerücht in die Welt, der Brand sei von rivalisierenden Hausbesetzern gelegt worden.

Ein bewährtes Muster. Als im August 1996 das besetzte Haus in der Marchstraße 21 geräumt wurde, ließen die Flammen auch dort nicht lange auf sich warten. Einem Abrißbegehren des Hausbesitzers hatte die Verwaltung hier ebenfalls nicht entsprochen. So scheint es wie in der Schwarnweber und der Rigaer Straße auf dasselbe hinauszulaufen: Sind die legalen Entmietungsstrategien erst einmal gescheitert, wird zum Benzinkanister gegriffen. Wenn die Bewohner bereits draußen sind, wird damit zumindest sichergestellt, daß sie auch wirklich nicht mehr zurückkommen. Alle drei Häuser befinden sich in Privatbesitz.

In der Nacht zum Donnerstag brannte es außerdem in Lichterfelde. Eine an das Grundstück des Eigentümers des ebenfalls geräumten Hauses Rigaer Straße 80 angrenzende Laube ging in Flammen auf. Die Polizei schloß einen Zusammenhang zwischen Brand und Räumungen jedoch aus; das Feuer sei auf Fahrlässigkeit zurückzuführen. Zufälle gibt's.