Die letzten Hemmschwellen verschwinden
Die Stadt Dessau-Roßlau in ihrer heutigen Form gibt es erst seit einer Kreisreform im Jahr 2007. Davor hieß der größere Teil der heutigen kreisfreien Stadt schlicht Dessau. Wer diesen Namen hört, denkt wahrscheinlich an das Bauhaus, vielleicht auch an den Polizeimord an Oury Jalloh. Wer den Namen Roßlau hört, denkt wahrscheinlich an gar nichts.
Nun macht die Stadt unter ihrem nicht mehr ganz so neuen Namen Schlagzeilen, wenn auch keine guten. Schuld daran ist wie so oft dieser Tage die AfD. Für die anstehenden Stadtratswahlen am 9. Juni hat der örtliche Kreisverband der Partei gleich mehrere Kandidat:innen aufgestellt, deren politische Vita eine gewisse Demokratieferne nahelegt. Insgesamt 16 Kandidat:innen hat die Partei Anfang April benannt – darunter zwei Frauen. Es ist ein wahres Gruselkabinett.
Da wäre zunächst einmal Michael Frisch, der bereits in der laufenden Legislaturperiode für die AfD im Stadtrat saß, dann aber 2022 sein Mandat abgegeben hat. Offenbar war er eingeschnappt, nachdem ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis die homophoben Äußerungen kritisiert hatte, die er im Finanzausschuss des Stadtrats in einer Debatte über eine Bezuschussung des örtlichen CSD getätigt hatte. Der Mitteldeutschen Zeitung zufolge hat er einen Stadtrat der Grünen homophob beleidigt und gesagt, man müsse »die Kinder und deren Seelen schützen«. Der CSD gehöre nach Berlin, nicht nach Dessau-Roßlau. Frisch ist übrigens nicht mit seinem Namensvetter zu verwechseln, der Fraktionsvorsitzender der AfD im rheinland-pfälzischen Landtag ist, 2016 das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare mit Verweis auf das Kindeswohl ablehnte und 2019 die dritte Geschlechtsoption in öffentlichen Dokumenten als »Wahnsinn« und als Ausdruck »rot-grüner Genderideologie« bezeichnete.
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