Der Kolporteur

Wenn das Finanzamt einen das Fürchten lehrt, und wenn die Zeitung die Honorare nicht zahlt, dann bleibt dem Schreiber die Möglichkeit, irgendeine Schweinerei zu begehen, über die nicht nur berichtet werden kann, über die sich auch gefreut werden darf. Denn damit lassen sich ein paar grüne oder blaue Scheinchen verdienen.

Am besten man geht zu denen, die grundsätzlich nur mit den Braunen bezahlen: Ich sitze im "Pony" in Kampen auf Sylt. Das "Pony" ist kein Pferdestall, sondern ein Laden, in dem der Nachwuchs der deutschen Millionärskaste auf den Tischen tanzt. Wer nicht von den Zinsen lebt und im "Pony" dennoch etwas trinken möchte, sollte es sich gut überlegen. Ein Gin Tonic kostet 24 Mark. Ein Gespräch mit einer "Pony"-Schönheit beginne ich, weil ich mich bereichern will. Man redet übers Wetter, den Strand, dieses oder jenes Restaurant, dann sind die Sportarten dran, zwei Anekdoten vom Tennis, eine Geschichte über den letzten Skiurlaub, Tips und Tricks vom Golfen, schließlich landet man beim Reiten. Da will ich hin.

Ich erzähle von dem allerneuesten Trend. Dem Kamelreiten. Sie glaubt mir nicht. Ich erzähle von einem großen Kamelrennen auf der Berliner Galopprennbahn. Sie hält mich für einen Quatschkopf, lächelt aber immer noch. Ich schlage meiner Gesprächspartnerin eine Wette vor. Sie hält mich nun für einen Aufschneider und fragt nach dem Einsatz. "Tausend", sage ich. Sie nickt. Ihr Pech ist, daß ich Hoppegarten-Experte bin und an diesem Tage einen Vorbericht über den "Scheich-Zayed-Cup" in der Berliner Morgenpost gelesen, ihn ausgeschnitten und in meine Geldbörse gesteckt habe. Ich zücke meine Brieftasche, zeige ihr den Artikel, sie kramt in der Hosentasche, gibt mir das gewünschte Stück Papier und bestellt zwei "Bellinis". Bevor wir das "Pony" verlassen, erklärt sie, daß sie noch einen Tausender locker mache, wenn ich mich in Hoppegarten auf ein Wüstenschiff setze.

Am nächsten Morgen reise ich ab und fahre direkt zur Galopprennbahn. Dort ist die Hölle los, 40 000 andere Spinner sind da, um die elf Kamele von Scheich Zayed aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zu bestaunen. Am Eingang hat sich eine Tierschutzgruppe aufgestellt, um gegen den "artfremden Einsatz" der Wüstentiere im märkischen Sand zu protestieren. "Können Sie mir erklären, ob der Jockey vor oder hinter dem Höcker des Dromedars sitzen soll?" frage ich einen Protestler. "Sind sie etwa Jockey?" will er wissen. "Jawohl", lautet meine Antwort. Ich hätte nicht lügen sollen. Denn nun muß ich mir anhören, daß ich viel zu fett für die Kamelreiterei sei und diesen Sport besser "den Arabern" überlassen solle.

Vor den Ställen treffe ich Jockey Juliane Schubert aus Köpenick, die gerade einem Reporter erzählt, daß sie "vom Wesen der Wüstentiere verzaubert" sei: "Kamele sind verschmust und ruhiger als Pferde." Wie schön, denke ich und erkundige mich, ob ich das Schmusetier einmal besteigen darf. Jetzt muß ich mir zum zweiten Mal sagen lassen, daß ich ungeeignet für einen Kamelritt sei. Sämtliche Ägypten-Kamel-Stories helfen nichts. Deshalb erzähle ich Juliane, daß sie mit dem Kamel nur schmusen dürfe, weil Rexrodt, Diepgen und andere Verbrecher aus dem wirtschaftlich-politischen Komplex gemeine Geschäfte mit dem Ölscheich abschließen wollen. Der wirtschaftlich-politische Komplex hat gewirkt. 20 Sekunden sitze ich auf dem Kamel, Juliane macht ein Foto, ich bedanke mich und gehe nach Hause.