Frau Präsidentin und die Generäle

Die gefährlichsten Gegenspieler von Frau Plavsic wurden von ihr selbst ins Amt gebracht - bei der letzten Armeesäuberung im Herbst 1996

Im Machtkampf zwischen der bosnisch-serbischen Präsidentin Biljana Plavsÿic« und der von der Karadzÿic«-Partei SDS gestellten Regierung hat sich die Armeespitze gegen die Republikchefin gestellt. In einer Erklärung vom vergangenen Freitag heißt es warnend: "Sollten einzelne Akteure der Krise die Destabilisierung und Zerschlagung der Serbenrepublik fortsetzen, wird die Armee im Einklang mit der Verfassung und ihrer moralischen Verpflichtung Maßnahmen zum Schutz der Integrität und Souveränität der Republik Srpska ergreifen."

Unterzeichnet hat das Statement der Armeechef der bosnischen Serben, Pero Colic«. Ein bitterer Schlag für Frau Plavsÿic«: Sie selbst hatte Anfang November letzten Jahres Colic« zu diesem Amt verholfen und seinen Vorgänger Ratko Mladic« mit etwa hundert weiteren Offizieren - die Zahlenangaben in den serbischen Medien differieren - in den Ruhestand versetzt.

Der Schlag gegen Mladic« und seine Militärs war auf einer geschlossenen Sitzung der SDS-Spitze beschlossen worden, an der neben Frau Plavsÿic« und Momcilo Krajisnik, dem serbischen Vertreter im gesamtbosnischen Staatspräsidium, auch der eigentlich aller Partei- und Staatsämter ledige Radovan Karadzÿic« teilgenommen hatte - so jedenfalls das Belgrader Oppositionsblatt Nasa Borba.

Die Vorgeschichte dieses spektakulären Revirements macht deutlich, daß der Einfluß der eher jugoslawistisch orientierten Armeespitze gebrochen werden sollte - Mladic« hatte bei den Wahlen im September 1996 die bosnoserbischen Ableger von Milosevic«s Sozialisten unterstützt, nicht

die SDS-Nationalisten.

Sein Sprecher Milovan Milutinovic«, damals auch der Chef des bosnoserbischen Geheimdienstes, hatte unmittelbar vor der Ablösung von Mladic« im Belgrader Wochenmagazin NIN aus dem Nähkästchen geplaudert. Schon seit Jahren seien Mladic« und weitere Generäle von der SDS-Spitze als "rotes Ungeziefer" geschmäht worden.

Hintergrund dieser Polemik ist der Umstand, daß Mladic« aus einer Partisanentradition kommt und diese immer verteidigt hat - während Frau Plavsÿic« sich den antikommunistischen Tschetniks verbunden sah. So stellte sie sich im Streit zwischen Mladic« und Karadzÿic« auf die Seite des letzteren - ein Umstand, den sie heute bereuen dürfte.

Konkret hatte sich der Streit zwischen Partei- und Armeespitze allerdings nicht in ideologischen, sondern in militärischen Fragen zugespitzt. Milutinovic« nennt in dem vierseitigen Artikel in NIN unter anderem folgende Beispiele: 1993 habe Karadzÿic« Mladic« zur Preisgabe der Anhöhen um Sarajevo gezwungen - so sei der Kampf um die Hauptstadt verloren worden; im Dezember 1994 habe er sich einem Vermittlungsangebot von Ex-Präsident Jimmy Carter gebeugt und den Vormarsch auf Bihac« abbrechen lassen - das habe den Sieg in Westbosnien verhindert; im Frühsommer 1995 habe Karadzÿic« schließlich den Oberbefehl selbst übernommen und in dieser Funktion die Verteidigung gegen die kroatischen Blitzoffensiven vernachlässigt - dies führte anschließend zur Eroberung der Krajina durch die Truppen Zagrebs.

Ein weiterer Dissens bestand darin, daß sich der Generalstab um Mladic« "während des ganzen Krieges der Formierung von verschiedenen paramilitärischen, parteigebundenen, militärpolizeilichen, Tschetnik- und Spezialeinheiten zum Schutz einzelner Parteiführer und Kriegsprofiteure widersetzt" hat, wie Milutinovic« schreibt.

Von diesen Freischärlern war nicht nur ein Großteil der Kriegsverbrechen begangen worden, sondern sie hatten mit der Kriegsbeute auch illegale Geschäfte im großen Stil aufgezogen - genau dessen wird jetzt Karadzÿic« von der Presse in Banja Luka bezichtigt. Mladic« mag ihm dabei in die Quere gekommen sein, so wie heute Frau Plavsÿic« an dieser Kriminalität Anstoß nimmt und darin den eigentlichen Grund für das Interesse der Karadzÿic«-Fraktion an anhaltenden Spannungen in Bosnien sieht.

Mit der Ernennung des Generals Momir Talic« zum neuen Armeechef hat Frau Plavsÿic« jetzt die Armee gespalten. Die Frage, ob die Soldaten eher auf das Kommando von ihm oder von Colic« hören, könnte sich schon bald stellen. Immerhin darf man davon ausgehen, daß viele Offiziere nicht für jede Instrumentalisierung durch die SDS-Spitze offen sind - im Zuge der Ablösung von Mladic« hatten sich mehrere hundert in einer öffentlichen Erklärung gegen dieses damals noch von Karadzÿic« und Plavsÿic« gemeinsam beschlossene Diktat gestemmt.