In Serbien bereitet sich die Opposition auf erneute Proteste gegen den Lithiumabbau vor

Der nächste Protest steht bevor

In Serbien könnte nun doch die Erschließung der größten Lithiummine Europas anstehen, trotz heftiger Proteste in der Vergangenheit. Die Ankündigung folgt auf Kommunalwahlen, die die Regierungspartei gewonnen hat – wobei es zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten kam.

Die Nachricht kam für Umweltschützer nicht unerwartet: Der serbische Präsident Aleksandar Vučić kündigte in einem Interview mit der Financial Times Ende Juni die Wiederaufnahme eines hochumstrittenen Bergbauprojekts des britisch-australischen Bergbaukonzerns Rio Tinto an. Den Abbau von Lithium im Dorf Gornje Nedeljice im Jadartal nahe der westserbischen Stadt Loznica befürwortet auch die EU, um die Abhängigkeit von chinesischen Importen zu reduzieren. Die geplante Mine würde Prognosen zufolge 90 Prozent des EU-Bedarfs abdecken. Allerdings hatte das milliardenteure Vorhaben 2021 Massenproteste von Umweltgruppen ausgelöst, woraufhin Aleksandar Vučićs Regierung vor der Präsidentschafts- und Parlamentswahl 2022 dem Projekt die Genehmigung entzog.

Nach Vorwürfen, Präsident Vučić bereichere sich selbst am Projekt, behauptet dieser wiederum, dass die Proteste gegen Rio Tinto aus dem Ausland finanziert und gelenkt seien, um Serbien zu schaden.

Während Rio Tinto mit eigenen Studien versucht, den Lithiumabbau als ungefährlich darzustellen, haben Umweltverbände in den vergangenen Jahren stets auf das hohe Risiko einer Vergiftung der Böden und des Grundwassers hingewiesen, auch wegen schwacher Umweltauflagen im Land. Dass Präsident Vučić das Projekt dauerhaft blockieren würde, bezweifelten viele Umweltschützer stark, erst recht da Rio Tinto im Februar 2023 für über eine Milliarde Euro zusätzliches Land in der betroffenen Region gekauft hat.

Vučić folgt nun altbekannten Strategien gegen den wiederaufkeimenden Protest: Er versucht, die Bevölkerung zu beschwichtigen, redet von Garantien, die Rio Tinto zur Wahrung von Sicherheitsstandards angeblich abgeben müsse, und davon, dass vor 2028 kein Abbau geplant sei. Währenddessen werden bereits erste Aktivistinnen und Politiker bedroht und von staatsnahen Medien scharf attackiert, so wie nach eigenen Aussagen Nebojša Petković von der Umweltbewegung Ökologischer Aufstand (Ekološki ustanak), die mittlerweile als Partei antritt und 2023 dem oppositionellen Wahlbündnis Serbien gegen Gewalt (Srbija protiv nasilja, SPN) angehörte sowie in diesem Jahr dem Bündnis »Wir wählen Belgrad« (Biramo Beograd, BB). Nach Vorwürfen, Vučić bereichere sich selbst am Projekt, behauptet dieser wiederum, dass die Proteste gegen Rio Tinto aus dem Ausland finanziert und gelenkt seien, um Serbien zu schaden, und fordert die Protestierenden zu einem öffentlichen Lügendetektortest auf.

Zähe Koalitionsverhandlungen im Belgrader Stadtparlament

Der Ökologische Aufstand zeigt sich unbeeindruckt und lässt Vučić die Nachricht zukommen: »Wir versprechen Ihnen, dass wir Gornje Nedeljice mit allen Mitteln und bis zum Ende verteidigen werden.« Mittlerweile bekleiden einige der bekanntesten der an den Protesten von 2021 Beteiligten Posten in politischen Ämtern und traten mit ihren Oppositionsparteien am 2. Juni in der Hauptstadt Belgrad und in weiteren 66 Städten und 27 Stadtbezirken bei den neuerlichen Kommunalwahlen an.

Die waren nötig geworden, nachdem unabhängige Wahlbeobachter unfaire Bedingungen bei den serbischen Kommunal- und Parlamentswahlen im Dezember kritisiert hatten, deren Nutznießer Vučićs Regierungspartei war, die Serbische Fortschrittspartei (Srpska napredna stranka, SNS). Zudem führte das knappe Wahlergebnis in Belgrad zu zähen Koalitionsverhandlungen im Stadtparlament. Vučić erklärte auch aufgrund weiterer Proteste schließlich die Verhandlungen für gescheitert und setzte Neuwahlen an. Nach Einschätzung der Opposition verbesserte die Regierung jedoch die Wahlprozesse nicht ausreichend, auch eine von der EU geforderte Untersuchungskommission wurde nicht gebildet.

Staatliche und regierungsnahe Medien griffen stattdessen die Opposition und internationale Kritiker immer wieder verbal an und steigerten sich in Unterstellungen hinein, ein Putschversuch sei geplant. Einige Oppositionsparteien boykottierten daher die Neuwahlen. Das im Dezember noch mit rund 35 Prozent zweitplatzierte Bündnis SPN trat deutlich geschrumpft und in neuer Konstellation als BB an, gewann in Belgrad nur noch 12,4 Prozent der Stimmen und damit 14 der 110 Sitze im Stadtparlament. Das Koalitionsbündnis Belgrad morgen (Beograd sutra) um die SNS hat von knapp 40 auf 53,8 Prozent zugelegt und mit 64 Sitzen eine klare Mehrheit erreicht. Neue zweitstärkste Kraft (18 Prozent, 21 Sitze) wurde die einstige NGO Kreni-Promeni um den Anwalt Savo Manojlović, die sich gegen Korruption und für Umweltschutz einsetzt.

Protest gegen die Wahlunregelmäßigkeiten

Auch wenn Ministerpräsident Miloš Vučević von der SNS von einem »klaren und überzeugenden« Sieg der Regierungspartei sprach, bemängeln Wahlbeobachter der OSZE erneut den finanziell und medial unfairen Wahlkampf. Sie stellen auch einen hohen Druck auf Beschäftigte des öffentlichen Diensts fest, für die kommunalen Parteienbündnisse der SNS zu votieren. Die Opposition hat darüber hinaus am Wahltag unerlaubte »Callcenter« der SNS in öffentlichen Gebäuden dokumentiert, in denen Bürger zur Stimmabgabe gedrängt wurden, und physische Übergriffe gegen Oppositionsanhänger gemeldet.

In Belgrad erfüllte Kreni-Promeni bereits ein Versprechen: Ihre Abgeordneten verließen aus Protest gegen die Wahlunregelmäßigkeiten die erste Sitzung der neuen Stadtversammlung und drohten, dauerhaft fernzubleiben. Die teilweise aus Aktivistengruppen entstandene serbische Opposition will Vučić das politische Leben so schwer wie möglich machen. Das stellte zuletzt auch Bilijana Đorđević von der Grün-Linken Front (Zeleno-levi front, ZLF) klar. Diese war 2023 Teil von SPN und gehört mittlerweile BB an. Mit Blick auf die Proteste gegen das Projekt von Rio Tinto lautet Đorđevićs Slogan: »Mit einem Fuß auf der Straße, mit dem anderen in den Institutionen.«