Friedensgrüße von der Junta

Nigerias Militärregime will Sierra Leones Putschisten bekriegen. Der ECOWAS-Gipfel ist zunächst nicht dafür zu gewinnen

Ohne die Entscheidung für eine weitere Militärintervention in Sierra Leone ist vergangene Woche das Gipfeltreffen der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) in der nigerianischen Hauptstadt Abuja zu Ende gegangen. Im Abschlußkommuniqué ist lediglich von einer Verschärfung des Wirtschaftsembargos die Rede, für dessen Überwachung nigerianische Kriegsschiffe vor der Küste und Truppen am Flughafen in Freetown zuständig sind. Die moderaten Stimmen in dem sechzehn Länder umfassenden Gremium haben sich damit gegen Nigeria durchgesetzt. General Sani Abacha, Chef der nigerianischen Militärjunta, hatte im Vorfeld des Gipfels die wichtigsten Mitgliedsländer aufgesucht, um für ein militärisches Eingreifen zu werben. Nigerianische Truppen waren - ohne Konsultation der anderen Mitgliedsländer - kurz nach dem Militärputsch im Mai in Freetown, bei dem der ein Jahr zuvor gewählte Präsident gestürzt worden war, mit einer Intervention kläglich gescheitert.

Ein US-amerikanischer Sondergesandter hatte dem Gipfel eine Botschaft von US-Außenministerin Madeleine Albright überbracht, die einer friedlichen Lösung den Vorzug gab, jedoch auch Verständnis für ein militärisches Vorgehen bekundete. Auch der UN-Sicherheitsrat und die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) hatten sich schon in diesem Sinne geäußert.

Damit wird die Situation für die Putschisten in Sierra Leone nicht einfacher. Die in London erscheinende Zeitschrift New African hat, als alle Beobachter sich angesichts eines neuen Putsches gegen einen gewählten Präsidenten in Afrika schon mit Grausen abgewendet hatten, berichtet, daß die Militärs ihr oberstes Gremium "Armed Forces Revolutionary Council" nennen. Offensichtlich beziehen sie sich damit auf den Putsch des damals noch jungen Offiziers Jerry John Rawlings in Ghana im Jahr 1979. Dieser Umsturz wurde damals weitgehend begrüßt und galt Linken in West-Afrika oft als Vorbild, da er ein korruptes und verhaßtes Regime beseitigte. Rawlings wurde später, als ihm das realsozialistische Lager nicht die wirtschaftliche Hilfe zusagen konnte, die er benötigte, zum überzeugtesten Marktwirtschaftler in West-Afrika.

Die eigentliche Macht in Freetown aber haben wohl die ehemaligen Rebellen der Vereinigten Revolutionären Front (RUF) inne, die sich selbst für Marxisten halten. Vor sechs Jahren begannen sie mit der Unterstützung Charles Taylors den Bürgerkrieg in Sierra Leone und werden für zahlreiche Massaker an der Zivilbevölkerung verantwortlich gemacht. Nun folgen sie erneut dem Beispiel des frischgewählten Präsidenten. Im Wahlkampf hatte Taylor für die Zerstörungen des Bürgerkriegs öffentlich um Vergebung gebeten - eine Geste, die in Afrika, wo religiöses Brimborium selten seine Wirkung verfehlt, nicht unwesentlich zu seinem Wahlerfolg beigetragen hat. Mitglieder der in "Volksarmee" umbenannten RUF-Truppe besuchen nun Kirchen und Moscheen im ganzen Land, um Vergebung dafür zu erlangen, daß sie "gebrandschatzt, geplündert, verstümmelt und getötet" haben.

Auch wenn Nigeria auf dem ECOWAS-Gipfel somit eine diplomatische Niederlage einstecken mußte, hat es dennoch seine Stellung als Hegemonialmacht in West-Afrika gefestigt. Einen Großteil dazu beigetragen hat die Annäherung an den einstigen Erzfeind Frankreich, die anfangs noch wie eine bloße Trotzreaktion auf die diplomatische Isolierung durch das Commonwealth aussah. Nun hat der nigerianische Außenminister Tom Ikimi einen Ausschuß eingesetzt, der die Mitgliedschaft im Verband der ehemaligen britischen Kolonien prüfen soll - eigentlich ohne Not, denn ein Ausschluß Nigerias wird auf dem kommenden Gipfel im Oktober gar nicht erwartet, nachdem Abacha und Südafrikas Präsident Nelson Mandela ihre Differenzen persönlich beigelegt haben.

Doch Nigerias Militärjunta scheint es ernst zu meinen. Nachdem Anfang August bekannt wurde, daß jeweils 60 Ausbilder der US-Army ein Bataillon in Uganda sowie in Senegal für sogenannte friedenssichernde Maßnahmen trainieren - im Herbst werden sie noch nach Äthiopien, Mali, Malawi, Tunesein und Ghana gehen - reagierte Nigeria mit einer scharfen Note. Im Staatssender Radio Lagos hieß es tags darauf, "die Erfahrung zeigt, daß jede einseitig herbeigeführte Anwesenheit ausländischer Soldaten nur dazu führt, daß diese entweder zu einer Interventionstruppe zugunsten befreundeter Regierungen werden oder zu einer Interventionstruppe gegen mißliebige Regierungen". Das zeigten die Beispiele in Guatemala, Nicaragua und Grenada.

Schon seit Jahren plante die OAU die Aufstellung einer afrikanischen "Friedenstruppe", war jedoch immer an Geldmangel gescheitert Nun gibt es schon vier solcher Initiativen, die sich leicht ins Gehege kommen können: die Initiative der ECOWAS, an der beispielsweise in Liberia seit der französisch-nigerianischen Annäherung auch einige Länder des frankophonen Afrika teilnehmen; die der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC), die sich - nach einem Manöver mit britischer Unterstützung in Zimbabwe - für solche Einsätze bestens gerüstet fühlt; eine französische, die ihren Probelauf gerade in der Zentralafrikanischen Republik absolviert und an der die Länder des frankophonen Afrika, deren Militär vollständig von der Ausbildung und Ausrüstung durch die französische Armee abhängig sind, teilnehmen; und eben die US-amerikanische.

In der nigerianischen Note heißt es außerdem, der US-amerikanische Plan werde die "Entstehung weiterer Despoten- und Marionettenregierungen auf dem Kontinent fördern". Dies entbehrt nicht einer gewissen Komik, denn natürlich hat die Achse Frankreich-Nigeria neben ihrer anti-britischen und anti-amerikanischen auch eine dezidiert anti-demokratische Stoßrichtung. Alles soll so bleiben, wie es ist: Die Marionetten und Despoten verdienen nicht schlecht, und die interessierten Kreise in Paris auch nicht. Darüber hinaus sollte das Argument nicht allzu gering geschätzt werden, verfügt die nigerianische Junta doch über genügend eigene Erfahrung, die Entstehung solcher Regime zuverlässig beurteilen zu können.