Alle wollen sein wie Blair

Hamburger Wahlkampf findet im Zeichen des Sicherheitsrausches statt

Hamburg gilt vielen als "die englischste Stadt des Kontinents". Seit Jahrhunderten schippern hanseatische Pfeffersäcke die Elbe hinunter, durchkreuzen die Nordsee und bringen von den britischen Inseln das mit nach Hause, was sich auf dem Festland verscherbeln läßt. Zur Zeit erfolgreichster Importartikel: Die Wahlkampfideen des britischen Premierministers Tony Blair.

Überall versuchen Politiker, die englische Lichtgestalt zu kopieren. Am 21. September werden in Hamburg Bürgerschaft und Bezirksversammlungen neu gewählt. Kein Wunder, daß auch an der Elbe die politische Klasse auf das britische Erfolgsmodell setzt. Den Anfang machten schon früh die Sozialdemokraten. "Law and Order is a Labour Issue", kleisterten sie einen Blairschen Slogan an die Wände und machten damit die Stadt ein ganzes Stück unwirtlicher.

Das zentrale Wahlkampfthema war also vorgegeben. Seither versuchen sich SPD und CDU als Hüter von Gesetz und Ordnung zu übertreffen. "Wir haben vollziehbar ausweisungspflichtig 3 000 Schwarzafrikaner", schimpft Bürgermeister Hennig Voscherau in der sozialdemokratischen Wahlkampfpostille Hamburger Kurs. Man werde sie aber nach geltendem Recht nicht los, weil die Herkunft ungeklärt sei oder die Heimatstaaten sich weigerten, ihre kriminelle Brut wieder zurückzunehmen. Immerhin: 232 "junge Intensivdealer" habe man seit 1995 abgeschoben.

Als großer Hoffnungsträger der frustrierten und von internen Machtkämpfen zerfressenen CDU gilt Ole von Beust. Der smarte Bürgermeisterkandidat, den die Zeitung Die Woche zur Generation der "jungen Milden" in der Union rechnet, wirkt wie ein perfekter Schwiegersohn und hat gegen den schneidigen Technokraten Voscherau alle Mühe, als Law-and-Order-Propagandist zu überzeugen. Gleichwohl versucht auch er sich als hanseatisches Abziehbild von Tony Blair. Wie sein britisches Idol hat von Beust eine Handvoll Wahlkampfversprechen formuliert, die er den Hanseaten auf Plakaten in der ganzen Stadt entgegenschreit. Neben dem Blairschen Original "Arbeitsplätze statt Sozialhilfe für Jugendliche", verspricht von Beust großspurig: "Jeder Stadtteil erhält seine eigene Polizeistation." Das wirkt beruhigend auf die BewohnerInnen von Sinstrof, Lemsahl oder Altengamme, denen die Medien mit ständig neuen Angstreportagen das Fürchten lehren. Allein: Von Beusts Ankündigung entpuppte sich bereits als Wahlkampflüge. Kleinlaut mußten die Christdemokraten inzwischen zugeben, daß nicht daran gedacht sei, die Zahl der Polizeireviere von derzeit 27 auf 104 zu erhöhen. So viele Stadtteile hat aber die Hansestadt.

Wie Fettaugen auf der brodelnden Sicherheitssuppe schwimmen die rechtsextremen Parteien. "Sicherheit? Nur mit uns! Wir sind das Original", stellen die örtlichen Republikaner, die bei den letzten Wahlen auf 4,8 Prozent der Stimmen kamen, klar. Doch obwohl der Sicherheitsdiskurs den Rechten Auftrieb gibt, werden sie wohl auch in der nächsten Bürgerschaft fehlen. Denn nicht weniger als sieben Parteien streiten um die braune WählerInnenschaft. Neben den altbekannten Republikanern, DVU, ÖDP und NPD bewerben sich auch der aufstrebende Bund Freier Bürger Manfred Brunners, der sich Jörg Haider zum Vorbild gewählt hat, sowie die krude Splittergruppen Deutsche Partei und Unternehmen-Deutschland-Partei.

Draußen bleiben letzten Umfragen zufolge auch die FDP ("Freiheit. Mit Sicherheit.") und das Hamburger Unikum Statt Partei. Letztere ist eine Partei politikverdrossener Besserverdienender, die vor der vergangenen Bürgerschaftswahl von dem "CDU-Rebell" Markus Wegener aus dem Boden gestampft worden war und dank dem Grünen-Hasser Voscherau zwei Minister im Senat stellen durfte. Inzwischen hat die Partei abgewirtschaftet.

Zwar hat Henning Voscherau die konservative Wählerschaft aufgerufen, ihr Kreuz bei der Statt-Partei zu machen, doch außer dem SPD-Taktiker nimmt kaum noch jemand die Gruppierung ernst. So wird sich wohl der Bürgermeister bald schon wieder mit seinem Alptraum Rot-Grün konfrontiert sehen - oder eine große Koalition eingehen. Die Paranoia Voscheraus vor der GAL ist dabei nur noch wenigen verständlich, bemüht sich der ehemals linksradikale Landesverband doch seit Jahren um den Beweis bürgerlicher Politikfähigkeit. "Herr Voscherau, kommen Sie runter von ihrem hohen Roß", appelliert Erzreala Krista Sager, die extra aus Bonn zurückgekehrt ist, um die GAL erfolgreich durch die Wahl zu führen: "Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie man diese Stadt vernünftig regieren kann." Auch den alles übertönenden Sicherheitsdiskurs müsse man endlich mitgestalten, erklärt Sager. Leider hätten es die Grünen dort schwer, weil sie keine einfachen Antworten zu bieten hätten. Immerhin, Krista Sager hat schon einmal eine einfache Reizwortkette parat, um das Thema zu skizzieren: "Verwahrlosung, Rücksichtslosigkeit und unsoziales Verhalten, offene Drogenszene, Müll und Dreck", seien - und da hat sie leider recht - längst auch Themen tyischer GAL-WählerInnen.