Wenig Sorgen mit den Rechten

Während das Saalfelder Landratsamt Nazi-Aktionen gegen Antifa-Demo genehmigen will, müssen sich Gewerkschafter gegen Morddrohungen wehren

"Wir wissen, wo du wohnst, bald kracht es!", "Du bist schon tot, du weißt es nur nicht!" - solche und ähnliche Drohungen muß sich Angelo Lucifero, Gewerkschafter aus Erfurt, seit mehreren Wochen anhören. Grund: Der stellvertretende Vorsitzende der Thüringer HBV ist einer der Initiatoren der geplanten Antifa-Demo am 11. Oktober in Saalfeld. An jenem Tag wollen Vertreter der Gewerkschaften, der autonomen Antifa, der Bündnisgrünen und der PDS gegen die rechtsextremistischen Strukturen im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt auf die Straße gehen. Die Stimmung gegen Lucifero und die anderen Veranstalter wird auch von der Lokalpresse geschürt, für die nicht die Nazi-Konzentrierung in der Region, sondern der befürchtete "schwarze Block" bei der Antifa-Demo Anlaß zur Sorge ist. Auch der Chef der Polizeidirektion Saalfeld, Günther Kick, scheint auf dem rechten Auge blind. "Im Augenblick machen uns die sogenannten Rechten weniger Sorgen", erklärte er kürzlich. Gewalttätigkeiten seien in Saalfeld in letzter Zeit mehr aus der linksalternativen Szene ausgegangen. Deshalb werde man die Prävention auch mehr in diese Richtung lenken.

Diese Fürsorge für die "sogenannten Rechten" ist in Saalfeld nichts Neues. Immer wieder ist die Polizei in den letzten Jahren unverhältnismäßig scharf gegen Linke vorgegangen, während die rechte Szene sich weitgehend ungestört ausdehnen konnte. Als vor einem Jahr etwa 40 Neonazis ein altes Fabrikgebäude besetzten, wurde dies zwar von der Polizei geräumt, doch die Forderung der Nazis nach einem "nationalen Jugendzentrum" wurde bereitwillig von der Lokalpresse aufgenommen und unterstützt. Sprecher des "Aktionskomitees Deutsches Jugendhaus" ist der Nazi-Kader Tino Brandt. Er ist Kontaktmann der Anti-Antifa Ostthüringens, Anmelder verschiedener Rudolf-Heß-Gedenkmärsche und eines Konzertes mehrerer Nazibands 1994. Außerdem ist Brandt Initiator des Deutschen Freundeskreises (DFK), dessen Betätigungsfeld hauptsächlich die Rekrutierung und Vernetzung national gesinnter Jugendlicher im Landkreis ist.

Aber Tino Brandt ist nicht nur lokal aktiv. Er ist auch verantwortlicher Redakteur der rechtsextremen Neuen Thüringer Zeitung (NTZ), die dem Nationalen Medienverband unter Führung Christian Wendts angehört. Von hier aus bestehen Kontakte zu allen wichtigen militanten Naziorganisationen der Bundesrepublik. Brandt unterzeichnete die "Pullheimer Erklärung", die unter Federführung der "Deutschen Liga" die Einheit der rechten Szene manifestieren sollte. Schon bei dem berüchtigten Heß-Aufmarsch 1992 in dem nur wenige Kilometer von Saalfeld entfernten Rudolstadt war Brandt einer der Organisatoren. Damals marschierten rund 2500 Faschisten medienwirksam durch den kleinen Thüringer Ort.

Neben Brandt gehörte auch Andreas Rachhausen zu den Veranstaltern jenes Aufmarsches. Auf den Namen seiner Mutter ist das Kontakttelefon des Aktionskomitees Deutsches Jugendhaus angemeldet. Rachhausen ist ein Neonazi von internationalem Rang. Nach einem Überfall auf eine Diskothek in Saalfeld tauchte er in Frankreich bei dem rechtsextremistischen Söldnerführer Michel Faci unter. Anschließend hielt er sich bis zu dessen Auslieferung bei Thies Christofferson in Dänemark auf.

Eigentlich Grund genug, die Gefahren zu erkennen, die von der rechten Szene in Saalfeld und Umgebung ausgehen. Doch es kommt noch dicker. Kaum gab das Antifa-Bündnis, das inzwischen aus mehr als 30 Organisationen besteht, seine geplante Demonstration bekannt, meldete am 1. August der erst wenige Wochen alte NPD-Ortsverband gemeinsam mit dem Landesverband der NPD eine Gegendemonstration an. Das hätte man noch als kleinen Scherz verbuchen können. Doch entgegen allen Erwartungen verbot das Landratsamt die Naziprovokation nicht umgehend, sondern lud die Veranstalter beider Demos jeweils zu einem "Kooperationsgespräch". Dabei kündigte das Landratsamt die Genehmigung der Nazi-Demo an. Begründung: Insbesondere sei der Charakter einer Gegendemonstration nicht nachweisbar. Dabei wird bereits seit Anfang August im Thule-Netz, einem neofaschistischen Mailbox-System, ganz eindeutig zu einer "Gegenaktion" gegen die Antifa-Demo aufgerufen.

Angelo Lucifero fordert nun die Behörden auf, umzudenken und den Aufmarsch der Nazis nicht zuzulassen. Doch sein Vertrauen in die staatlichen Stellen ist geschrumpft. Den Schutz seiner Person will der Bedrohte selbst organisieren. Sollte er wohl besser auch. Denn die Sicherheitsbehörden scheinen die Situation nicht besonders ernst zu nehmen. Der Chef des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, Roewer, erklärte im Mitteldeutschen Rundfunk, es sei "normal", daß die, die sich "politisch aus dem Fenster hängen", mit Drohanrufen rechnen müßten.

Die Antifa-Demo beginnt am 11. Oktober um 15 Uhr am Bahnhof Saalfeld/Saale