Zischdig in Basel

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Meine Damen und Herren!

Vor einigen Tagen begab es sich, daß ich am Rande der Feierlichkeiten zum hundertsten Jahrestag des Ersten Zionistischen Weltkongresses lag und unter Magenkrämpfen litt. Strenggenommen hatte das eine mit dem anderen gar nichts zu tun. Ich befand mich nur gerade im schönen Basel, wo jenes Jubiläum mäßig festlich begangen wurde. Anläßlich dieses Anlasses waren nun derart viele Absperrgitter und Polizisten in der Stadt aufgestellt, daß die einheimische Bevölkerung sich zu Bemerkungen über Zionisten hinreißen ließ, die gerade ich als Deutscher nicht niederschreiben sollte.

Egal, meine Damen und Herren: Ich lag in kaum einem Kilometer Entfernung jenes Balkons, von dem einst Theodor Herzl sinnend dem Rhein nachgesonnen hatte, auf einem Bettvorleger und wand mich vor Übelkeit. Warum eigentlich? War mir vielleicht das Baslerdeutsch auf den Magen geschlagen, dieses zutiefst zynische Idiom, das aus dem grazilen "Dienstag" den "Zischdig" macht, ein Wort mithin, das sich anhört, als würde man darauf ausrutschen und sich beim Aufprall den Kiefer brechen? Aus dem "Melkschemel", der nun wirklich noch niemals jemandem etwas zuleide getan hat, das monströse "Müuchmauchterli"? Nein, meine Damen und Herren, das war es nicht.

Vielmehr hatte ich mich zu Kaffee und Chääs-Chüechli (das nicht nur so hieß, sondern auch so schmeckte) an den Frühstückstisch gesetzt. Da ich an diesem Morgen allein war, erstand ich zuvor den Blick, die Bild-Zeitung der Schweiz, und warf einen Blick hinein. Zielsicher arbeitete ich mich zum Sportteil vor. Dort aber - direkt hinter dem brandheißen Hintergrundbericht über die drängende Finanzkrise beim FC Sion - entdeckte ich eine Seite mit Telefonsex-Anzeigen. Nun bin ich sicherlich niemand, der angesichts solcher Inserate in spitze Entsetzenslaute ausbricht: "Oh, wie schrecklich und frauenfeindlich!" Wer dort anrufen mag, mag dort anrufen; ich selbst tat es auch schon. Was ich aber hier las, führte dann doch zu den erwähnten Magenkrämpfen.

Ich zitiere im Folgenden unzensiert einige erotische Konstellationen, die den Schweizer Herren anscheinend so in Wallung versetzen, daß er das Telefon nur mehr einhändig zu bedienen vermag: "Häsch en Ständer i dä Hosä, muesch d Nummerä 156 91 55 losä". - "Geile Omas mit großen Nippeln ab Franken 30". - "Geiler Sex mit älterer Dame im Kabinenböötli". - "Studentin masturbiert mit dem Telefonhörer bis zum Orgasmus". - "Meine Wiese riecht nach dem Gießen am aufregendsten". - "Willst du es mal wieder mit einer Oma treiben? Geile Oma läßt dich ans Hösli". - "Serviertochter onaniert auf dem Tisch". - "Ostgirl, 19 Jahre. Steck ihn überall rein für Franken 20".

Meine Damen und Herren, nach einigen Minuten legten sich die Magenkrämpfe. Wohl fühlte ich mich während der restlichen Tage in Basel allerdings nicht mehr, weil ich niemandem mehr traute. Das ging schon morgens los, wenn mir der Kioskverkäufer freundlich den Blick verkaufte. "Jaja", dachte ich dann. "Jetzt schleimst du dich ein, aber heute abend gießt du die Wiese einer Oma im Kabinenböötli." Und es ging bis abends, wenn ein Kellner mich bediente und ich dachte: "Jaja, jetzt bedienst du mich. Aber nachher bedienst du die Ost-Serviertochter für den Gegenwert von sechs Tassen Kaffee auf dem Tisch." Mit einem Satz: Der Urlaub war versaut. Und jeden Telefonhörer, den ich seitdem in die Finger bekomme, wische ich zunächst einmal penibel ab.