»Es sah aus, als ob er schwimmen wollte«

Im niedersächsischen Blankenburg soll ein Flüchtling bei einer Verfolgungsjagd gestorben sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht

"Hallo!" soll der Wachmann nur gerufen haben. Daraufhin sei der 27jährige rumänische Flüchtling Mihai Sandu panikartig aus der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) Blankenburg geflohen. Wenig später sei er dann in dem Flüßchen Hunte ertrunken. Für ein Fremdverschulden gebe es keine Anzeichen. Zu diesem Schluß kommt jedenfalls der abschließende Bericht der Staatsanwaltschaft zum Tod des jungen Mannes.

Am 25. Juli sollte Sandu aus der niedersächsischen Anstalt nach Rumänien abgeschoben werden. Er floh. Am nächsten Tag tauchte er aber wieder in der ZASt auf, wo sich gegen Abend die "Hallo!"-Szene abgespielt haben soll. Von einer Verfolgung des rumänischen Mannes könne keine Rede sein, es habe vielmehr so ausgesehen, als "ob er schwimmen wollte", heißt es im Bericht der Staatsanwaltschaft. Sie stellte die Ermittlungen ein.

Doch den Mitgliedern der örtlichen "Initiative für offene Grenzen", die von Anfang an Zweifel an der offiziell verbreiteten Version der Vorgänge hatten, fiel auf, daß mögliche Zeugen "in aller Hektik abgeschoben und unter anderem über den Flughafen Düsseldorf in ihre Heimatländer zurückgeschickt" wurden. Ein Sprecher der Bezirksregierung bestätigte, daß der Zeuge Georg Dobre abgeschoben worden sei. Das sei aber "auf mehr oder weniger freiwilliger Basis" geschehen. Der Vorwurf von "wilden Abschiebungen oder Umverteilungen" sei "absurd".

Die Oldenburger Initiative fand zwei Freunde Sandus, die Zeugen des Vorfalls waren. Ihr Bericht, der auf einem Videoband festgehalten wurde, widerspricht den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft völlig konträr. Ein Wachmann des privaten Sicherheitsdienstes soll Sandu festgehalten haben, er habe sich jedoch befreien können und sei vom Gelände der ZASt geflohen. Daraufhin habe der Wachmann mehrere Flüchtlinge um Hilfe gebeten und Jagd auf den 27jährigen gemacht - zuerst auf dem Gelände der ZASt, später auch auf den angrenzenden Wiesen. In seiner Panik hat sich der rumänische Flüchtling offenbar zum Sprung ins Wasser entschieden, um auf das andere Ufer zu entkommen. Nach wenigen Metern ging er unter und tauchte nicht mehr auf.

Auf Nachfrage der Jungle World teilte ZASt-Leiter Markus Kosock mit, daß "das Ding für mich ausrecherchiert" sei. Die Anschuldigungen der Initiative seien bisher nicht belegt worden. Übergriffe der Wachleute gebe es nicht, sondern nur "Ordnungshandeln", und auch das nur, wenn unerlaubt Alkohol auf das Gelände gebracht werde. "In gewissem Rahmen" müsse dergleichen sogar sein. Auch Oberstaatsanwalt Gerhard Kayser hält den Verdacht der Initiative für haltlos. Einer der Zeugen, die die Gruppe benannte, habe bei ihm "was ganz anderes gesagt". Er gehe davon aus, "daß das alles eine Fälschung ist". Zunächst hatte Kayser angekündigt, eventuelle neue Hinweise genau zu prüfen. Nun erklärt er jedoch die Ermittlungen für abgeschlossen.